Bewertung von Unternehmen im Familien- und Erbrecht
Im Rahmen von familien- und erbrechtlichen Auseinandersetzungen, beispielsweise im Zusammenhang mit Zugewinnausgleichs- oder Pflichtteilsansprüchen, sind häufig Unternehmensbewertungen erforderlich. Hierfür werden in Gerichtsverfahren in der Regel Sachverständige bestellt.
Für die Bewertung von Unternehmen im Familien- und Erbrecht gelten zwar grundsätzlich dieselben Grundsätze wie für jede objektive Unternehmensbewertung, nämlich diejenigen des IDW S1 i.d.F. 2008. Hiernach erfolgt die Bewertung nach dem zukünftigen Ertragswert des Unternehmens. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat jedoch im Hinblick auf Besonderheiten bei der Bewertung von Unternehmen zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht den Entwurf eines neuen Standards (IDW ES 13) verabschiedet.
Methodisch erfolgt die Bewertung danach in zwei Schritten:
- Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes und (erster Bewertungsschritt)
- Überleitung zum Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch (zweiter Bewertungsschritt).
Bewertungsschritt
Bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswertes sind dem IDW ES 13 zufolge folgende Besonderheiten zu beachten:
Stichtag
In familienrechtlichen Auseinandersetzungen über den Zugewinnausgleich ist das Vermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung (Anfangsvermögen) und das Endvermögen zu ermitteln, wobei für letzteres im Falle der Ehescheidung die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages maßgeblich ist. In erbrechtlichen Auseinandersetzungen stellt der Erbfall meist den maßgeblichen Bewertungsstichtag dar. Eine Bewertung zu den genannten Stichtagen erfolgt oftmals erst mehrere Jahre später. Es gilt hier uneingeschränkt das Stichtagsprinzip, d.h., es dürfen nur die positiven und negativen Ertragsfaktoren in die Bewertung einbezogen werden, die sich zum Bewertungsstichtag ergeben. Spätere Entwicklungen, die seinerzeit noch nicht absehbar waren, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Methodenstetigkeit
Sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist, ist das Unternehmen bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs zu den jeweiligen Stichtagen nach denselben Grundsätzen zu bewerten.
Verfügbare Informationen
Falls – etwa wegen eines großen zeitlichen Abstandes zwischen dem Bewertungsstichtag und der tatsächlichen Bewertung – maßgebliche Informationen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen, sollte der Bewerter eigene Prognosen zu den finanziellen Überschüssen erstellen. Die Bewertungsunsicherheit darf nicht durch pauschale Zu- oder Abschläge auf finanzielle Überschüsse bzw. den Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt werden.
Übertragbare Ertragskraft und kalkulatorischer Unternehmerlohn
Insbesondere bei personenbezogenen Unternehmen kann die Ertragskraft in besonderem Maße von dem bisherigen Eigentümer abhängig sein. Insoweit ist zu beachten, dass nur die übertragbaren Bestandteile bewertet werden, also nicht der auf die persönlichen Leistungen des Inhabers entfallende Teil des Ertragswertes. Die Höhe des Unternehmerlohns ist darüber hinaus besonders zu würdigen und ggf. anzupassen.
Bewertungsschritt
Bei der im zweiten Schritt erfolgenden sog. Überleitung des Unternehmenswertes zum familien- oder erbrechtlichen Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch sind folgende Besonderheiten zu beachten:
Finanzierung
Sofern für die Erfüllung eines Ausgleichs- oder Auseinandersetzungsanspruches Kredite aufgenommen werden müssen, sind diese bei der Bewertung nicht (wertmindernd) zu berücksichtigen.
Ertragsteuereffekte
Unabhängig davon, ob das Unternehmen tatsächlich veräußert wird, ist beim Zugewinnausgleich von dem ermittelten Wert des Unternehmens die persönliche Ertragsteuerbelastung beim Eigentümer bei einer fiktiven sofortigen Veräußerung anzuziehen (sog. latente Ertragsteuer). Bei Pflichtteilsansprüchen sind latente Ertragsteuern abzuziehen, wenn nicht mit einer Fortführung des Unternehmens zu rechnen ist. Zudem sollte im Einzelfall gewürdigt werden, ob im Gegenzug ein abschreibungsbedingter Steuervorteil (sog. tax amortisation benefit) werterhöhend zu berücksichtigen ist.
Abfindungsklauseln und Verfügungsbeschränkungen
Abfindungsklauseln sind für die Bewertung grundsätzlich nur dann relevant, wenn das Ausscheiden des Gesellschafters zum Bewertungsstichtag (z.B. kündigungsbedingt) bereits feststeht. Gesetzliche, vertragliche oder faktische Verfügungsbeschränkungen sind i.d.R. zu berücksichtigen.
Geldentwertung
Beim Zugewinnausgleich ist das Anfangsvermögen mit dem Index der Lebenshaltungskosten auf die Preisbasis des Stichtages des Endvermögens umzurechnen.
Karin Friedrich-Büttner, Hamburg
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Familienrecht
Esche Schümann Commichau
www.esche.de
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