Erde im Weltall

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16.03.2023

Durch Doughnut Economics die Welt retten

Die Krisen des 21. Jahrhunderts machen deutlich, dass das globale Wirtschaftssystem umgestaltet werden muss. Nur so kann die Menschheit auf der Erde (über)leben.

Autor: Erinch Sahan, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Unternehmen im Doughnut Economics Action Lab

Vom Klimawandel über Umweltzerstörung bis hin zu extremen sozialen Ungleichheiten in Bezug auf Macht und Chancen – die Welt muss zu mehr Nachhaltigkeit umgestaltet werden. „Doughnut Economics“ ist ein Konzept, welches dazu aufruft, eine Wirtschaft zu schaffen, die die grundlegenden Bedürfnisse aller Menschen befriedigt und dabei die Balance der lebenserhaltenden Systeme dieses Planeten wahrt.

Der Einstieg in den Doughnut erfordert einen Wandel in der Dynamik der globalen Wirtschaft. Die heutigen degenerativen Industriesysteme verbrauchen unsere natürlichen Ressourcen. Sie müssen rasch in regenerative Industrien umgewandelt werden, die im Einklang mit den Zyklen und Mitteln der Erde arbeiten. Die heutige Wirtschaft hat eine spaltende Dynamik geschaffen, die durch die Konzentration von Eigentum und Macht in den Händen weniger Menschen angeheizt wird. Diese Dynamik muss in eine Verteilungsdynamik umgewandelt werden, die Werte und Chancen gerechter mit allen, die sie mitgestalten, teilt.

Erde als Anteilseigner

Doughnut Economics unterstützt Unternehmen dabei, sich so zu verändern, dass es den Menschen und dem Planeten gut geht. Dazu müssen die Unternehmen regenerativer und verteilungsgerechter werden. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, muss nicht nur das Design von Produkten, sondern auch das „Deep Design“ der Unternehmen selbst verändert werden.

Die Fokussierung auf Deep Design ist ein neuer, sich schnell entwickelnder Ansatz zur Umgestaltung von Unternehmen. Aus einer regenerativen Perspektive könnte man Geschäftsmodelle in Betracht ziehen, bei denen die Erde symbolisch zum alleinigen Anteilseigner, zum Vorstandsmitglied oder zum Geschäftsführer eines Unternehmens wird. Solche Beispiele gibt es bereits: Das US-amerikanische Outdoor-Bekleidungsunternehmen Patagonia hat die Erde zu seinem „einzigen Anteilseigner“ gemacht, das britische Shampoo-Unternehmen Faith In Nature hat die Natur in seinen Vorstand berufen, und Willicroft, ein niederländisches Unternehmen für Käse auf Pflanzenbasis, hat die Rolle des Geschäftsführers so gestaltet, dass die Natur im Vordergrund steht. Design-Innovationen wie diese können bewirken, dass ein Unternehmen transformative Maßnahmen ergreift, indem es zum Beispiel grünes Licht für regenerative Landwirtschaft gibt, erhebliche Investitionen in eine klimaneutrale Bauweise tätigt oder mehr als einen existenzsichernden Lohn für die Arbeiter in der Lieferkette zahlt.

Gerechte Verteilung

Aus der Verteilungsperspektive sollte man sich vor Augen führen, welche transformativen Maßnahmen den Interessen der Menschen dient, die am stärksten mit einem Unternehmen verbunden oder von ihm betroffen sind. Es gibt Beispiele wie den Woll- und Modeproduzenten Manos del Uruguay, dessen Gewinne immer dazu verwendet werden, Vorteile für seine Handwerker im ländlichen Uruguay zu schaffen. Die Kleinbauern von Amul, einem indischen Molkereiunternehmen, sind Eigentümer des Unternehmens und profitieren von den Gewinnen, indem sie eine Rolle in der Unternehmensführung spielen, die dazu beiträgt, dass die Einkaufspraktiken auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind.

Keines dieser Unternehmen würde von sich behaupten, dass es vollständig regenerativ und verteilungsgerecht konzipiert ist. Aber gemeinsam zeigen sie, dass Innovationen in der Gestaltung von Unternehmen – ihrem Zweck, ihren Netzwerken, ihrer Führung, ihren Eigentumsverhältnissen und ihrer Finanzierung – transformative Maßnahmen ermöglichen. Diese eröffnen den Unternehmen einen viel größeren Spielraum, um Teil einer regenerativen und distributiven Zukunft zu werden.

Schlüsselrolle bei der Umstellung

Deutsche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können diesen Prozess vorantreiben. Mehr noch, sie können mit neuen Praktiken und Produktionsmodellen, die durch neue Eigentums- und Finanzierungsstrukturen und Innovationen in Gremien und Unternehmensführung ermöglicht werden, eine Vorreiterrolle übernehmen. Dabei kann es sich um einfache Veränderungen handeln, die von KMU besser umgesetzt werden können, wie die Anwendung flexibler Gewinnspannen und Reinvestitionen zur Unterstützung von Ideen mit großer Wirkung oder die Einbeziehung von Gemeinden und Umweltorganisationen in ihre Vorstände. Solche Veränderungen im Unternehmensdesign können die ökologischen und sozialen Strategien hervorbringen, die der Menschheit helfen zu (über)leben. Und: Deutsche KMU können und sollten dazu beitragen, diesen Transformationsprozess zu beschleunigen.

Gut zu wissen

  • Doughnut Economics ist eine Theorie, die von der britischen Ökonomin Kate Raworth erstmals 2012 vorgestellt und seitdem viel diskutiert wurde
  • Die Theorie bindet wirtschaftliches Handeln an die Berücksichtigung sozialer und planetarer Grenzen
  • Unternehmer, Führungskräfte, Finanziers und politische Entscheidungsträger können kostenlos den Workshop Leitfaden zur Umgestaltung von Unternehmen nutzen
  • Weitere Infos zum Doughnut Economics Action Lab finden Sie unter doughnuteconomics.org

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