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Beim HIDALGO Box-Salon am 7. Oktober im Münchner Boxwerk traten Sängerin Andromahi Raptis und Pianistin Rebeka Stojkoska gegeneinander an – und echte Boxer mit echten Schlägen. Das Musiktheater von Tom Wilmersdörffer im Rahmen des 5. HIDALGO Festivals ist eine körperliche Inszenierung der Trauer und ihrer fünf Phasen – mit Liedern von Dowland und Weil sowie Klavier-Improvisationen über aufprallenden Boxhandschuhen.
Der Abend beginnt mit einem Interview: Die Boxerin Jenny „The Pirate“ Niederhölzer (gespielt von der fantastischen Sopranistin Andromahi Raptis) wird in die Ecke gedrängt – nicht von einer Kontrahentin, sondern von einem Sportreporter. Es wird klar: der kommende Kampf gegen Kontrahentin Bekka Halm (gespielt von der auch schauspielerisch erstaunlich guten Pianistin Rebekka Stojkoska) ist ihre letzte Chance. Kurze Zeit später liegt sie K.O. am Ringboden.
Jenny steht auf und kämpft weiter. Nicht gegen ihre Gegnerin, sondern mit sich selbst. Sie weint, sie schreit, sie wirft alles hin – und findet am Ende doch so etwas wie Frieden. Der BOX-SALON verhandelt die Trauer, die uns trifft, wenn wir Großes verloren haben und ein Teil unseres Selbst stirbt. Der Umgang damit läuft meist in fünf bestimmten Phasen ab: Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression und Annahme der Situation. In dieser Lied-Inszenierung erleben wir den Trauerprozess entlang der Lieder von John Dowland und Kurt Weill.
An der Oberfläche erzählen ihre ganz unterschiedlichen Werke teils andere Rahmengeschichten, hintergründig aber fügen sie sich in die universellen Phasen der Trauerbewältigung ein. Die Lieder aus dem 16. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts berühren uns unmittelbar und geben eine Ahnung davon, wie zeitlos Trauer wahrgenommen, durchlebt und verarbeitet wird. Der innere Kampf der besiegten Boxerin wird von Sportler*innen des BOXWERK München ausgetragen.
In der Phase des Verhandelns beschwört Jenny ihre Box-Handschuhe und eine Vision herauf: zu den Klavierimprovisationen von Stojkoska über die Musik von John Dowland liefern sich die Boxer Alilou Cisse und Van Nguyen einen echten Sparringskampf, bei dem der dominierende Cisse seinem Kontrahenten tatsächlich eine blutige Nase verpasst. Als die Ringglocke das zweite Mal ertönt, fallen beide zu Boden: in Jennys inneren Kampf gibt es keinen Sieger.
Am Ende findet Jenny ihren Frieden. Mit jedem Handschuh, jedem Kleidungsstück löst sie sich ein wenig mehr vom Box-Sport los. Mit Weills „One Life to live“ verabschiedet sie sich endgültig und kann endlich auch die Kontrahentin in ihrem Hinterkopf ausblenden. Erschöpft schläft sie ein. Das Publikum der ausverkauften Veranstaltung feierte die Leistung von Raptis, Stojkoska und den Boxern mit begeistertem Applaus.