Dr. Matthias Bartke, MdB

Mittelständler fragen - PolitikerInnen antworten: Dr. Matthias Bartke, SPD

Haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zum Thema Corona-Maßnahmen. Ich kann Ihre Sorgen und die Ihrer Mitgliedsunternehmen absolut nachvollziehen. Die Bekämpfung dieser Pandemie ist eine noch nie dagewesene Herausforderung, die Bürgerinnen und Bürgern aber auch Unternehmen sehr viel abverlangt.

Wenn man als Politiker Maßnahmen ergreifen muss, die Grundrechte einschränken und die manchen Unternehmen geradezu sprichwörtlich die Luft zum Atmen nimmt, so fällt das schwer – sehr schwer. Für mich als Abgeordneten gilt, dass ich bislang noch nie mit einer so schwierigen Situation konfrontiert war. Und natürlich hinterfrage ich meine Entscheidungen täglich - das ist angesichts der komplexen und hochdynamischen Lage auch zwingend notwendig. Gleichzeitig kann ich Ihnen versichern, dass die Koalitionsfraktionen ihre Entscheidungen immer nach bestem Wissen und Gewissen treffen.

Bevor ich Ihre sehr berechtigten Fragen beantworte, lassen Sie mich eine grundsätzliche Vorbemerkung machen. Im Frühjahr ist es uns gemeinsam gelungen, die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und somit viele Menschenleben zu retten. Die Intensivstationen füllen sich jetzt nach einem relativ ruhigen Sommer leider wieder in einem erschreckend schnellen Tempo. Wenn es so weiter geht, könnten sie in zwei Wochen gezwungen sein, schwer kranke Menschen abzuweisen. Der „Wellenbrecher-Lockdown“ ist deshalb jetzt zwingend geboten, um das Wachstum der Neuinfektionen zu verlangsamen und eine Trendwende herbeizuführen.

Die Grundüberlegung dieses Teil-Lockdowns ist im Grunde einfach: Wir wissen bei 75 Prozent aller Corona-Infektionen nicht genau, woher sie kommen – eine Zurückverfolgung ist nicht mehr möglich. Die einzige Möglichkeit, die Welle zu brechen besteht darin, die Kontakte drastisch um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Gleichzeitig gibt es aber drei Prioritätsbereiche, in denen wir keine Schließungen vornehmen wollen. Dies sind

  • die Infrastruktur im Gesundheits- und Pflegebereich,
  • der Wirtschaftskreislauf, der so weit wie möglich weiterlaufen soll, und
  • Schulen und Kitas.

Alle anderen Bereiche sind nicht prioritär und werden daher geschlossen. Dies ist für die betroffenen Einrichtungen hart und ungerecht – das ist uns allen vollständig klar und die Kritik daran ist mehr als verständlich. Aber: Der Gesundheitsschutz und ein erfolgreicher Kampf gegen die Pandemie haben für uns derzeit absolute Priorität. Wenn wir das Virus erfolgreich bekämpfen und Menschenleben retten wollen, so müssen wir die derzeit gewählte Strategie verfolgen und all die Einrichtungen und Unternehmungen schließen, die nicht einem der drei Prioritätsbereiche zuzuordnen ist.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich Ihre Fragen:

Halten Sie es für angemessen, wenn nicht mehr die gewählten Parlamente über die Einschränkungen der Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger entscheiden, sondern ein verfassungsmäßig nicht legitimiertes Gremium, das sich aus der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten zusammensetzt?

  • In Krisen schlägt (leider) immer die Stunde der Exekutive. Die getroffenen Lockdown-Maßnahmen erfolgen fast alle in der Zuständigkeit der Länder. Es war aber höchst sinnvoll, dass die Kanzlerin dies koordiniert hat. In manchen Bereichen hätte ich mir eine noch stärkere Koordination gewünscht. Andererseits ist es natürlich richtig, dass Mecklenburg-Vorpommern mit einem geringen Infektionsgeschehen anders agiert als Bayern mit sehr hohen Infektionswerten.
  • Gleichwohl: Wenn Sie eine mangelnde Beteiligung des Bundestages bei den Lockdown-Maßnahmen kritisieren, so kann ich Ihnen da nicht völlig widersprechen. Es ist zwar sicherlich nicht die Aufgabe des Bundestages, die im jeweiligen Pandemiestadium vorzunehmenden Detailmaßnahmen zu beschließen. Es ist aber sehr wohl die Aufgabe des Parlamentes einen genauen Rahmen zu setzen und eine konkrete Rechtsgrundlage zu schaffen, auf denen die Grundrechtseinschränkungen basieren.
  • Hieran fehlte es auch nach Auffassung der Großen Koalition bislang. Daher beraten wir heute im Bundestag auch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, nach der der Bundesregierung nun ein klarer Rahmen und eine klare Rechtsgrundlage für die zu ergreifenden Maßnahmen während der Pandemie vorgegeben wird.

Nach den amtlichen Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts gehören gastronomische Betriebe, Sporteinrichtungen, Fitness-Studios, Theater, Kinos etc. nicht zu den Orten, an denen Infektionen mit dem Coronavirus vorrangig stattfinden. Welche anderen wissenschaftliche Fakten oder Sachgründe gibt es, die eine wochenlange Schließung dieser Betriebe nach Ihrer Kenntnis erforderlich machen?

  • Wenn Sie in Ihrem Schreiben monieren, dass jetzt auch Einrichtungen geschlossen werden, in denen Infektionen „nicht vorrangig“ stattfinden, so stimme ich Ihnen völlig zu. Das ist zutiefst ungerecht. Nur leider kennt das Virus keine Gerechtigkeitserwägungen. Und wir können derzeit auch nicht ausmachen, welche Gesellschaftsbereiche „vorrangig“ infektionsanfällig sind, denn der ganz überwiegende Teil der Infektionen lässt sich nicht mehr genau nachverfolgen. Die Strategie gegen die Pandemie ist – wie oben dargelegt – alle Einrichtungen außer denen in Prioritätsbereichen zu schließen.
  • Die betroffenen Unternehmen können natürlich nichts für die vom Staat getroffenen Maßnahmen. Daher gibt es jetzt auf Initiative von Finanzminister Olaf Scholz eine außerordentliche Wirtschaftshilfe für den Monat November, nach der alle betroffenen Unternehmen 75 Prozent ihrerUmsatzausfälle ersetzt bekommen. Ich halte das für eine extrem großzügige Regelung mit der auch Teile der bislang erlittenen Ausfälle kompensiert werden sollen.

Die Schließung von Betrieben bzw. ganzer Branchen und die damit verbundenen Einschränkungen unseres Alltag werden zwangsläufig zu großen wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schäden in unserer Gesellschaft führen. Übernehmen Sie seitens der Legislative dafür die politische Verantwortung?

3. Die Große Koalition trifft sämtliche pandemisch bedingten Entscheidungen nach intensivster Abwägung aller Umstände und Schutzgüter. Ich trage diese Entscheidungen mit - und natürlich übernehme ich dafür die politische Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bartke

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Dr. Matthias Bartke, MdB
Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales

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Dr. Matthias Bartke, MdB, SPD, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales