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16.02.2022

Greenwashing? - oder: Wer trägt welche Verantwortung?

Wolfgang Thanner
Im Januar 2021 fällte das Landgericht Stuttgart ein Urteil, in dem es um CO2 Fußabdruck und den entsprechenden Ausgleich dazu ging. Ein Kommentar von Mitglied Parmenas zur Schwierigkeit, nachhaltig zu investieren.

Greenwashing? - oder wer trägt welche Verantwortung?

Da die Staatengemeinschaft die Transformation zu einem ökologisch nachhaltigen Wirtschaften finanziell nicht allein stemmen kann, ist auch der Finanzsektor mit privaten und institutionellen Anlegern gefordert. Einerseits bietet das für den Finanzsektor enorme Chancen, aber führt auch zu Anpassungsschwierigkeiten, weil die „alte Welt“ in Teilen nicht mehr so funktioniert, wie vorher.

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart (LG Stuttgart, Urt. v. 31.01.2022 - Az.: 36 O 92/21 KfH, externer Link) belegt einmal mehr, wie schwer sich viele Akteure des Kapitalmarkts noch mit den relativ unausgegorenen Vorgaben der EU und Regulatoren hinsichtlich des EU-Aktionsplans „Finanzierung Nachhaltigen Wachstums“ tun.

Der Fall:

„Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern im Internet für ihr Investment mit dessen positiver ökologischer Wirkung in der Weise zu werben, dass der Verbraucher einen von der Investitionssumme abhängigen “CO2-Ausgleich” als positive Wirkung auf den “persönlichen CO2-Fußabdruck” unter Angabe konkreter Einsparergebnisse berechnen können soll, wenn dies wie folgt geschieht.“

„Greenwashing“ ist natürlich nicht hilfreich, um das Vertrauen von Anlegern und der Wirtschaft in die nachhaltige Transformation zu steigern. Zudem ist irreführende Werbung im Verbraucherumfeld immer ein Eigentor. Allerdings ist auch zu bezweifeln, dass die meisten Verbraucher mit den Angaben aus derartiger Werbung viel anzufangen wissen und sich damit irregeführt fühlen würden. Womöglich stammt die Beschwerde sogar aus der Feder des futterneidenden Wettbewerbs?!

Wo sind die Regeln?

Es wäre tatsächlich zu kurz gesprungen, solchen Fondsanbietern immer nur Vorsatz zu unterstellen. Leider ist die Politik und damit der Gesetzgeber bisher klare Spielregeln schuldig geblieben. Die Unschärfen der EU-Taxonomie und die sich gerade erst entwickelnden Standards und Rahmenwerke dienen aktuell bestenfalls als erste Orientierungshilfe, wohin „die Reise geht“.

Das beginnt schon damit, was die sogenannten ESG von Impact Investments unterscheidet. Wer sich dazu einmal informieren möchte, ist hier gut aufgehoben: https://bundesinitiative-impact-investing.de/impact-investing/

Der im Gerichtsurteil gerügte Fonds ist jedenfalls alles andere als ein Impact Fonds im reinen Wortsinn. Und das ist wiederum, dem falschen Aufgleisen der Regulatoren geschuldet, die selbst kein echtes Verständnis von Impact/Wirkung zu haben scheinen, wenn ein solcher Fonds als Impact Fonds qualifiziert. Wer Impact erzielen möchte, formuliert nicht nahezu alles im Konjunktiv, wie „wir streben an“, „bemühen uns“ etc., sondern nennt konkrete Wirkungsziele und auch den Prozess, wie das geschehen soll. Und, die zu erzielende Wirkung steht im Vordergrund und nicht die Rendite.

Was ist eigentlich ein nachhaltiges Investment?

Auch wenn Verbrauchern mit Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten die Auswahl bzw. Vergleichbarkeit etwas erleichtert wird, ob bzw. wie „nachhaltig“ ein Finanzprodukt ist, gibt es aktuell noch keine einheitliche Bezeichnung für die Klassifizierung der „Nachhaltigkeit“.

Durch die vielen Initiativen, die an Standards, Rahmenwerken oder Metriken arbeiten, hat sich leider bereits eine ganze Industrie von Anbietern herausgebildet, die sogenannte „Labels“, „Ratings“ oder „Zertifizierungen“ anbieten. Leider meistens privatwirtschaftlich mit einer kommerziellen Zielsetzung.

Im Sinne des Verbraucherschutzes wäre es angezeigt, wenn auch solche Produkt-Zertifizierungen von staatlicher Stelle erfolgen würden. Wohin uns private Rating-Agenturen und deren vermeintliche „Neutralität“ bei der Beurteilung der Bonität und Qualität von Unternehmen und Finanzprodukten in der Finanzkrise 2008-2011 gebracht hat, dürfte den meisten von uns noch gut bekannt sein.

Der CO2 Fußabdruck - von Vergleichbarkeit keine Spur

Und leider ist es auch bei der Messung des CO2-Footprints bei Verbrauchern und Unternehmen nicht anders. Während man sich vielleicht darüber noch einig ist, dass die Normen zur CO2-Bilanzierung von Unternehmen im deutschen Raum durch die DIN ISO 14064-1 und/oder dem GHG Protocol repräsentiert werden, sieht es hinsichtlich der verwendeten Datenquellen deutlich intransparenter aus.

Auch hier sind die Anbieter von CO2-Berechnungen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Von Vergleichbarkeit keine Spur. Die meisten Anbieter sprechen auch nur von einer Verifizierung der Unternehmensangaben. Das Ergebnis der tatsächlichen CO2-Emissionen ist damit auch nicht wirklich gesichert. Viel wichtiger wird es werden, sich die Ergebnisse der ermittelten CO2-Emissionen von unabhängiger Stelle zertifizieren zu lassen, um als Unternehmen auch für Transparenz im eigenen Offenlegungsbericht zu sorgen.

Der Ablasshandel

Wenn es dann um die Kompensation von CO2-Emissionen geht, ist die Wahl der meisten Unternehmen bisher entweder CO2-Zertifikate zu kaufen oder sich „frei“ zu spenden, indem man Wälder außerhalb der eigenen Region aufforstet, wo die CO2-Emission tatsächlich entstanden ist. Solange die Wälder nicht wieder permanent für die Holzwirtschaft abgeholzt werden und das darin gebundene CO2 wieder freigesetzt wird, ist das ja noch nachvollziehbar.

Aber: Auch die Aufforstung der Wälder allein führt unsere Gesellschaft nicht in eine nachhaltige Zukunft. Dazu brauchen wir eine grundlegende Transformation unserer Wirtschaftsweise. Neue Geschäftsmodelle, Technologien und eine neue Business-Ethik sind Treiber eines „New Normal“, das wir für eine nachhaltige Zukunft brauchen.

Während alle Welt überwiegend von der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit spricht, darf auch das ökonomisch nachhaltige Handeln kein Tabu sein. Denn ohne das wird es keinen Konsens mit der Wirtschaft geben, die sich transformieren soll.

Ein Beitrag von: Christian Mankel, Managing Partner bei Parmenas Group (https://www.parmenas.de/)

Der BVMW München dankt seinem Mitglied Parmenas, Hr. Mankel für diesen Kommentar. Aus rechtlichen Gründen müssen wir darauf hinweisen, dass dies eine Meinungsäußerung ist und keine offizielle Positionierung des BVMW e.V. darstellt.

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