Die Zukunft des Thüringer Mittelstands ist digital
Fachkräfte sichern Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität. Angesichts der demografischen Entwicklung ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte für alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Dem Mittelstand fehlt der Nachwuchs – überall. Alle sind gefordert, dieser Misere gemeinsam entgegenzuwirken.
Startschuss für die Bildungsallianz Hessen
Wie diese Herausforderungen gemeistert werden könnten, darüber tauschten sich bei der Auftaktveranstaltung zur Bildungsallianz Hessen, die der BVMW initiiert hat, zahlreiche Vertreter aus dem regionalen Mittelstand aus. Die Veranstaltung fand online als „World-Café“ statt, in der sich die Teilnehmer in zwei Gruppen mit verschiedenen Aufgabenstellungen auseinandersetzten. Auf der digitalen Moderationswand, dem „conceptboard“, erarbeiteten sie erste Lösungsansätze. Professionell und wertschätzend moderiert wurde die Session von Christine Maurer von cope OHG, Heppenheim. Nach den Grußworten der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, die BVMW-Moderator Karsten Daugill online übermittelte, ging es los mit einem spannenden unternehmerischen und branchenübergreifenden Austausch. Im World-Café kommen Menschen miteinander ins Gespräch. Jeder kann sich mit eigenen Erfahrungen einbringen und profitiert von den Expertisen des anderen. Hier ist Raum für Ideen, Verknüpfungen und Vertiefungen. Auf das Speeddating der 17 Teilnehmer zwecks Kennenlernen folgten zwei Runden im World-Café. Wurden in Runde 1 die Probleme offenbart, ging es in Runde 2 in die Vertiefung und um mögliche Lösungsansätze. Dazu wurden die beiden Gruppen neu zusammengestellt, um die vielfältigen Entwicklungspotenziale und den Handlungsbedarf auszuloten sowie ersten konkreten Ideen Raum zu geben. Mittels virtueller bunter „sticky notes“ konnte sich jeder am conceptboard einbringen. Nachdem im Anschluss die Ergebnisse von den Gruppenmoderatoren zusammengefasst und die wichtigsten Themen vorgestellt wurden, ging es übergreifend in die Diskussion zu Lösungsansätzen.
Nachwuchsprobleme im Mittelstand angehen
Grundsätzlich waren sich die Beteiligten darüber einig, dass dem Mittelstand – überall – der Nachwuchs fehlt. Das Problem fängt bereits in den Schulen an, die ihre Schüler schlecht vorbereiten. Schulische Qualifikation genügt nicht mehr für eine Ausbildung. Bemängelt wurde zum Beispiel – Stichwort Digitalisierung – dass die Ausbildung an Technikerschulen nicht mehr aktuell sei. Es stellte sich ferner die Frage, wie man Schüler frühzeitiger dazu bewegen kann, sich für Praktika zu begeistern. Hier kränkelt es auf Seiten der Unternehmen allerdings auch. Häufig finden Personalverantwortliche und Ausbilder nicht den Zugang zur jungen Zielgruppe, was schlicht an der mangelnden zielgruppengerechten Ansprache liegt. Der Nachwuchs wird nicht da abgeholt, wo er sich am meisten tummelt, beispielsweise in den sozialen Medien. Recruiting Trends, Auswahlverfahren und Ausbildungsmethoden sollten dahingehend angepasst werden.
Einigkeit herrschte ebenfalls darüber, dass die Generation Y eine andere Einstellung zur Arbeit hat. Arbeit ist für sie Mittel zum Zweck, um die Freizeit zu finanzieren. Die bei Jugendlichen fehlende Bereitschaft, sich mit einem Projekt zu identifizieren, wurde ebenfalls angesprochen. Wie kann es gelingen, bei ihnen eine intrinsische Motivation zu entwickeln? Weiterhin ist allen klar, dass Handlungsbedarf besteht, um Praxis mit Schule zusammenzubringen und Kompetenzen zu fördern. Die Bildungsallianz Hessen setzt sich ein für die Aufwertung der Bildungsabschlüsse Hauptschule und Mittlere Reife und die Stärkung des Dualen Systems der Berufsausbildung. Der Übergang von der Schule in die berufliche Zukunft muss besser klappen. Doch wie lassen sich Schulabsolventen und Betriebe besser zusammenbringen? Ganz klar: Der Mittelstand muss aktiv werden, die Wirtschaft ist gefordert, aber auch die Politik. Es kristallisierte sich heraus, dass sich die Problematik der Schüler später bei den Studierenden fortsetzt. Auch hier fehlt häufig der zielgruppengerechte Zugang. Oftmals ist zudem die erforderliche Qualifikation nicht vorhanden, was eine Nachschulung im Betrieb nötig macht. Es kommt nicht selten vor, dass Studenten mit Ziel Bachelor sich ohne jegliches Hintergrundwissen für ein Thema entscheiden. Das bedeutet, bevor man mit ihnen im Betrieb in die Tiefe der Materie einsteigen kann, muss mit ihnen bei null angefangen. Ausbilder sind gefordert, mit Azubis diagnostisch arbeiten, Stärken und Schwächen zu identifizieren, um dann zu schauen, welcher berufliche Werdegang passt. Potenzial wird ebenfalls bei den Schul- und Studienabbrechern gesehen.
Fazit
Der branchenübergreifende Austausch im World-Café funktionierte hervorragend, waren sich alle Akteure einig. Erste Lösungsansätze, wie man dem Fachkräfte- und Nachwuchsmangel entgegenwirken kann, wurden erarbeitet. Dabei wurden auch Aufträge an den BVMW präzisiert.
Kurz zusammengefasst lautet das Fazit:
- Ausbildung muss früh angegangen werden
- Mehr Wissen über Generation Y
- Was über Verband verbessern
- BVMW ist der Übersetzer BVMW & Schule
- Fokus auf praktische Erfahrungen
- junge Menschen begeistern
- soziales Jahr / konkretisieren Berufswunsch
- Was kann der BVMW verbessern
- was kann über Politik verbessert werden
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ein dickes Lob ging an Moderatorin Christine Maurer und ihre Co-Moderatoren des BVMW Karsten Daugill und Sascha Buurman sowie an den „Mann an der Technik“, Oliver Hehr.
Hessenweite Allianz – Unternehmerrat
Die im Workshop erarbeiteten unterschiedlichen Herausforderungen stellen Prioritäten für den Unternehmerrat der Bildungsallianz Hessen dar und sind die Grundlage weiterer Gespräche mit Politik, Schule und Eltern. Mit der Bildungsallianz Hessen hat der BVMW ein hessenweites Forum mittelständischer Prägung ins Leben gerufen, welches die Stakeholder aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Schule an einen Tisch, und damit in Diskussion und Austausch, bringt. Die Bildungsallianz Hessen koordinieren die BVMW-Repräsentanten aus Nord-/Ost-/Mittel- und Südhessen Meike Diesing, Ellen Ehring, Sascha Buurman, Malu Schäfer und Karsten Daugill.
Mehr Info: https://www.bvmw.de/bildungsallianz-hessen/wer-wir-sind/
(Text und Bild: Annette Windus, Redaktionsbüro Wortschatz)