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01.04.2022

"Unternehmer fallen nicht vom Himmel"

Was ist zu tun, um mehr Unternehmerinnen und Unternehmer für eine Unternehmensnachfolge zu gewinnen?

Drei BVMW-Experten diskutieren über die Aufgaben für vielfältige gesellschaftliche Akteure.

DER Mittelstand.: Stimmen die politischen Rahmenbedingungen, um Unternehmensnachfolgen attraktiv zu machen? Und bei welchen Punkten sehen Sie noch dringenden Handlungsbedarf?

Dr. Hans-Jürgen Völz: Ganz allgemein brauchen wir in Deutschland wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln. Um eine Unternehmensnachfolge attraktiver zu gestalten, sollten bürokratische Hemmnisse mittels Bürokratieentlastungsgesetz spürbar verringert werden. Zudem sollte ein Verzicht auf höhere Steuern sowie eine erleichterte Altersvorsorge für Unternehmerinnen und Unternehmer ermöglicht werden. Eine wichtige Stellschraube stellen meiner Meinung nach KfW-Förderprogramme dar, die mit einer breiten Informationskampagne beworben werden sollten.

Dr. Benno A. Packi: Nach einer aktuellen KfW-Studie hat die Bereitschaft zur Selbstständigkeit mit der Coronakrise einen herben Rückschlag erlitten, besonders stark in der jungen Generation unter 30 Jahren und bei Frauen. Besonders diese Zielgruppe sollte sich doch bei einer geplanten Selbstständigkeit ernsthaft angesprochen fühlen, und ihnen müssen attraktivere Angebote zur Selbstständigkeit offeriert werden.

Prof. Dr. Holger Wassermann: Unternehmerinnen und Unternehmer fallen nicht vom Himmel, sie müssen auch gut ausgebildet werden. Ich sehe hier einen großen Handlungsbedarf bei der akademischen Ausbildung. Das klassische Hochschul-BWL erzieht jedoch nur Manager oder legt den Fokus vorrangig auf Neugründungen. Das Thema Unternehmensnachfolge wird dort sehr stiefmütterlich behandelt. Ich kenne lediglich zwei Hochschulen, die sich diesem ausgesprochen wichtigen Thema überhaupt widmen.

Packi: Ich bin Berater beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg. Hier muss ich leider konstatieren, dass es fast ausschließlich um Neugründungen geht. Es ist in der Unternehmerschaft anscheinend noch nicht bekannt, dass auch Nachfolge-Pläne eingereicht werden können. Gerade zu diesem Thema sollten mehr Information verbreitet werden.

Nachfolge ist ein Thema der Nachhaltigkeit. Sollte das nicht auch in der dualen Berufsausbildung verankert werden?

Wassermann: Am besten sollte man schon in der Vorschule ansetzen, um Schülerinnen und Schülern dieses Thema schmackhaft zu machen. Waldorf-Schulen fallen dort positiv auf und fördern unternehmerische Eigenschaften. Aber selbst an den Gymnasien gibt es „Wirtschaft“ als Unterrichtsfach immer noch sehr selten, was junge Menschen daran hindert, nach dem Schulabschluss aufgeklärt ins Berufs- und Wirtschaftsleben einzutauchen.

Völz: Das öffentliche Bild der Unternehmerinnen und Unternehmer ist verzerrt. Schon seit meiner Kindheit beobachte ich im Fernsehen, dass der Schurke im Stück stets der Unternehmer ist und zumeist aus der Baubranche kommt. Das ist Fiktion. Die Realität sieht komplett anders aus. Sie zeigt sich bei Aktenzeichen XY, wo Unternehmer regelmäßig Opfer sind.

Wassermann: Das Thema Unternehmensnachfolge oder Übernahme kommt in ganz vielen Filmen oberflächlich vor und vermittelt ein falsches Bild. Die Filmwirtschaft sollte sich um mehr Tiefgang bemühen und nicht mit einfachen Klischees und Stereotypen arbeiten.

Für eine erfolgreiche Firmenübernahme müssen natürlich auch die nötigen Fachkräfte an Bord sein. Wir haben aber Fachkräftemangel...

Packi: Der Bedarf sollte durch die Arbeitsagentur mit Blick auf die Digitalisierung transparenter dargestellt werden. Unternehmen müssen die Bindungsinstrumente für Fachkräfte stärken, sodass diese auch langfristig dem Unternehmen erhalten bleiben. Dazu zählen eine gute betriebliche Altersversorgung, Betriebskindergärten oder auch wieder mehr Werkswohnungen, da vor allem der angespannte Wohnungsmarkt gerade in den Groß- und Universitätsstädten selbst Gutverdienenden eine Wohnung oftmals verwehrt.

Völz: Der Anstoß für alle hier angesprochenen Maßnahmen muss von der Spitze der Gesellschaft kommen. Lediglich auf Signale der Basis zu warten, reicht nicht. Mandatsträger und Personen des öffentlichen Lebens sollten sich wertschätzend über Menschen äußern, die bereit sind, persönlich zu haften und das Risiko einzugehen, mit ihrem Vermögen für ihr Unternehmen zu haften.

Das Interview führte Caroline Nasarewski, BVMW Referentin Bildung und Ansprechpartnerin für Unternehmensnachfolge.

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