Professor Dr. med. Torsten Bauer, Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf

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01.06.2022

"Rauchen, Rauchen und Rauchen"

Professor Dr. med. Torsten Bauer, Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf, gilt als Experte für Pneumologie.

Autor: Friederike Pfann

Im Interview mit DER Mittelstand. spricht er über Krebstherapien und Covid-19.

DER Mittelstand.: Herr Professor, ist Krebs ein Todesurteil?

Prof. Dr. Torsten Bauer: Das kommt ganz auf die Krebsart an. Wir haben viele Krebsarten, die wir mittlerweile als chronische Erkrankung betrachten, dazu zählt sicher der Tumor der Frau, der Brustkrebs, der mit ganz erheblichen Überlebenszeiten einhergehen kann. Ein anderes Beispiel für Tumoren, die nicht einem Todesurteil gleichkommen, ist der Prostatakrebs, der extrem gut behandelbar ist. Andere Krebsarten können hier sicherlich auch genannt werden, der Lungenkrebs gehört nicht dazu.

Auf welche Symptome muss man achten, um frühzeitig Lungenkrebs zu erkennen?

Unsere Standardbitte ist, dass bei Husten und Luftnot mehr als sechs Wochen ein Röntgenbild angefertigt wird, insbesondere dann, wenn eine Risikokonstellation für Lungenkrebs vorhanden ist.

Was sind die Hauptursachen für eine Krebserkrankung, insbesondere Lungenkrebs? Da darf ich einfach mal auf meine Ruhrgebietsmentalität zurückgreifen und sagen: Die drei häufigsten Ursachen für Lungenkrebs sind Rauchen, Rauchen und Rauchen. Und es gibt aber auch andere Ursachen, etwa eine berufliche Exposition gegenüber bestimmten Stäuben oder andere inhalative Noxen. Aber wir haben auch sehr viele Patientinnen und Patienten, die nie geraucht haben und trotzdem Lungenkrebs bekommen.

Welche Therapien gibt es?

Es gibt im Wesentlichen vier Säulen der Therapie: die Chirurgie, die Bestrahlungstherapie, die medikamentöse Therapie, und wir haben Best Supportive Care, das heißt, wir können die Patienten auch ohne diese Medikamente versorgen. Bei den Chemotherapien wiederum gibt es sehr viele neue Möglichkeiten.

Welche Fortschritte hat die Forschung in den vergangenen Jahren gemacht?

Die zwei wesentlichen Neuerungen, die zu einer effektiveren Therapie geführt haben, sind die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, für die es 2018 den Nobelpreis gab. Das ist das, was die Therapie bei uns am stärksten verändert hat. Vereinfacht dargestellt, ermöglicht diese Therapie eine Tumorbekämpfung quasi durch das körpereigene Immunsystem, indem bestimmte Verhaltensweisen der Tumorzellen demaskiert werden und das Immunsystem diese abräumen kann.

Wie ist Ihre Prognose: Werden wir den Krebs besiegen in absehbarer Zeit?

Es ist so, dass jedes Individuum täglich den Krebs besiegt. Wir gehen von einer fiktiven Zahl aus, wir sagen: Pro Tag entstehen 50 Krebszellen in einem Körper, und am Ende des Tages sind 50 davon wieder abgeräumt. Das heißt, wir werden den Krebs nie besiegen, aber wir werden ihn auch in Zukunft noch besser kontrollieren können.

Sie sind ausgewiesener Experte für Lungenkrankheiten generell. Welche Lungenkrankheiten sind weltweit auf dem Vormarsch?

Man darf die alten Bekannten nicht vergessen, wie die Lungentuberkulose. Sie ist weltweit noch immer die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit der Lunge. Das hat sich gerade durch die Covid-Pandemie noch mal verschlechtert, weil die ganzen Systeme, die zur Unterstützung von Tuberkuloseerkrankten aufgebaut wurden, zusammengebrochen sind. Es ist also nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben, diese Erkrankung zu bekämpfen.

Ist Covid eine Lungenkrankheit?

Ja, Covid ist eine Lungenkrankheit, das haben wir als Lungenärzte auch von Anfang an so gesehen. Und es ist eben so, dass Covid eine schwere Allgemeinerkrankung ist, die dann auch wieder auf andere Organe übergehen kann. Aber die Hauptvermehrung des Virus findet in den Atmungsorganen statt, und damit ist es primär eine Lungenerkrankung. Wie wichtig ist bei Covid-19 der interdisziplinäre Austausch mit anderen Abteilungen? Der war bei Covid-19 sehr fruchtbar, man hat viel dazugelernt. Insbesondere die empfindlichen Systeme wie die Nieren oder das Herz waren direkt oder indirekt von dieser Erkrankung betroffen. Das hat wieder mal geholfen, den Menschen als Ganzes zu sehen und nicht nur als Summe seiner Einzelteile.

Welche Folgekrankheiten kann Covid-19 auslösen?

Es gibt zwei Arten von Post-Covid-Erkrankungen. Man muss unterscheiden zwischen denjenigen, die so schwer krank waren, dass sie beatmet werden mussten, sie werden immer eine Folge-Rehabilitationsphase durchlaufen müssen. Das war auch vor Covid schon so. Aber es gibt auch leichte Verläufe von Covid-19, bei denen der Patient noch über einen längeren Zeitraum eine schwere allgemeine Erschöpfung empfindet. Hier stehen wir noch ganz am Anfang unserer Forschungen. Wir wissen nicht, warum das so ist, ob unter Umständen Covid-19 nur eine andere Erkrankung demaskiert hat. Das heißt, sie war bereits bei dem Patienten vorhanden, aber es war noch nicht allen bewusst.

Lässt sich sagen, welche Menschen von Long-Covid besonders betroffen sind?

Nein. Dazu gibt es im Moment keine Vorhersageform. Wir können die unterschiedlichen Patienten und die unterschiedlichen Verläufe betrachten und wissen nicht, wer davon einen längeren Verlauf haben wird.

Haben Sie Wünsche oder Forderungen an die Politik, was Ihre Arbeit anbelangt?

Wir würden uns wünschen, dass die Politik systemischer auf Experten zurückgreift, als sie das in den letzten drei Jahren getan hat. Hier hatte man ja fast schon den Eindruck, dass derjenige, der am lautesten geschrien hat, der beste Experte war. Hierfür würden wir uns wünschen, dass für zukünftige medizinische Sachverhalte von nationaler Tragweite ein bestimmtes System besteht, wer denn als Berater hinzugezogen wird.

Vielen herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Friederike Pfann, BVMW Redaktion DER Mittelstand

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