Dagmar Caruso, Caruso Umweltservice GmbH

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01.06.2022

"Abbruch heißt nicht nur plattmachen"

Die Caruso Umweltservice GmbH hat sich umweltgerechten Abbruch für Industrie, Bau, Gebäude, Immobilien und Industrieanlagen zur Aufgabe gemacht.

Autor: Prof. Dr. Jo Groebel

Geschäftsführerin Dagmar Caruso spricht im Interview von den Anfängen des Unternehmens und über ihre Arbeit.

Prof. Dr. Jo Groebel: Frau Caruso, Ihr Kerngeschäft sind Abbruch, Rückbau und Sanierung großer und kleiner Gebäude …

Dagmar Caruso: Unsere Spezialisierung ist der fachgerechte, dabei vor allem umweltverträgliche Abbruch. Das ist kein Vergleich mehr zu früher, wo man mehr oder weniger ungezielt abgerissen hat und den Schutt dann einfach in eine Grube brachte. Heute muss man auch darauf achten, welche Schadstoffe möglicherweise vorhanden sind.

All dies mit den regionalen Schwerpunkten Leipzig, Chemnitz …

… allgemein Mittelsachsen. Nicht zuletzt auch ganz Deutschland. Wir haben in vielen Regionen des Landes gearbeitet, besonders wenn ein Auftraggeber so zufrieden mit unserem Unternehmen war, dass er uns überall einsetzen wollte. Ein Beispiel von vielen ist eine sehr erfolgreiche bundesweit tätige Möbelhauskette. Auch Gewerbemärkte oder Großtankstellen gehören dazu.

Bewegen Sie dazu Ihre großen Geräte quer durchs Land, oder greifen Sie vor Ort auf Maschinen zurück?

Beides. Wir haben einen großen Maschinenpark an unseren Standorten, der selbstverständlich auch mobil ist. Unser eigener Maschinenpark deckt von vornherein ein breites Spektrum ab. Vom kleineren Bagger mit 20 Tonnen bis hin zum viermal so großen mit 80 Tonnen und einem Ausleger von 30 Metern. Der ist unser Flaggschiff, unser T-Rex. Übrigens „taufen“ wir all unsere Maschinen und geben ihnen Raubtiernamen; so gibt es zum Beispiel auch den Jaguar, Tiger oder Panther. Diese Geräte transportieren wir dann bundesweit. Wenn es aber logistisch sinnvoll ist, mieten wir auch Maschinen an. Der Einsatz eigener Geräte wird allerdings von uns bevorzugt, da wir über ein Schnellwechselsystem verfügen und damit flexibler mit verschiedenen Anbaugeräten arbeiten können, wie zum Beispiel Pulverisierer, Hammer, Zange oder Abbruch- und Sortiergreifer.

Sie haben viele Leuchtturmprojekte, kürzlich beispielsweise der Abbruch eines 43-Meter hohen Masts. Vielleicht erläutern Sie einige.

In den mittlerweile 30 Jahren unserer Arbeit gab es da selbstverständlich sehr viele und sehr große Projekte. Monumentale Fabrikschornsteine gehören ebenso dazu wie Kraftwerke, Hochhäuser oder Gebäudekomplexe mitten in Innenstädten. Wir würden ja gerne unsere Leuchtturmprojekte zeigen, aber leider sind diese nach unserer Arbeit meistens verschwunden (lacht).

Besonders der Abbruch in Citys muss eine ziemliche Herausforderung darstellen.

Stimmt. Seit Ende der 1990er-Jahre waren wir in der Region sehr aktiv beim Rückbau von und innerhalb der Plattenbausiedlungen. Oft standen ältere zu sanierende und neue Gebäude nahe beieinander. Manchmal kam es mir vor, als seien wir ein Team von Chirurgen. Nur in ungleich größerem Maßstab. Ich erinnere mich auch an unseren Auftrag zum Rückbau der Bayer-Zentrale in Leverkusen. 122 Meter hoch, 33 Etagen, die wir bis auf das Stahlskelett zurückgebaut haben.

Früher war für mich Abbruch gleich Abbruch. Jetzt sehe ich, was alles eine Rolle spielt.

Ganz wichtig, Abbruch heißt überhaupt nicht nur plattmachen. Da geht es um erhaltenswerte Elemente. Da heißt es, mit vorsichtigen Methoden die Spreu vom Weizen zu trennen. Unsere jahrzehntelange Erfahrung spielt hier eine große Rolle. Zum Oberbegriff Abbruch zählen auch Rückbau, Entkernung, Sanierung. Beispiele von vielen sind der Teilrückbau der Plattenbauten in der Dresdner Gartenstadt oder der Rückbau der Messehalle 12 in Leipzig. Sie war in den 1920er-Jahren die größte freitragende Messehalle Europas. Da spielt selbstverständlich auch der Denkmalschutz eine bedeutende Rolle. Ein Teil des Stahlskeletts aus der damaligen Zeit musste erhalten bleiben. Das machte die Arbeit besonders schwierig, da der Stahl in den 1950erJahren verstärkt worden war und nun getrennt werden musste.

Es geht wohl nicht nur um das Sichtbare, sondern auch um Konstruktionsmerkmale, wenn man über Schützenswertes spricht.

Völlig richtig. Ein weiteres Beispiel ist der Kulturpalast in Dresden. Er wirkt äußerlich immer noch wie früher, wurde aber von innen komplett modernisiert. Die gesamte Konstruktion von drei Haupt- und zwei Zwischengeschossen haben wir zurückgebaut.

In der Chirurgie gibt es ja auch die Kleinstroboter für mikroinvasive Eingriffe. Sicherlich nicht ganz so klein, aber arbeiten Sie auch mit Robotik?

Für Innenarbeiten setzen wir tatsächlich elektrisch betriebene, ferngesteuerte Roboterbagger ein; diese Abbruchmaschinen gehören ebenso zu unserem Gerätepark.

Das Gegenteil von Mikrochirurgie sind Sprengungen. Führen Sie auch diese selbst aus?

Da arbeiten wir eng mit Partnerunternehmen und mit Sprengmeistern zusammen, Vor- und Nachbereitung obliegen aber dann wieder uns. Insgesamt bedarf nicht nur hier Ihr Einsatz umfangreicher Planung. Bei öffentlichen Vorhaben ist diese im Allgemeinen durch Planungsbüros vorgegeben. Für Privatinvestoren übernehmen wir hingegen gern schon in der vorbereitenden Phase die Beratung und inhaltliche Unterstützung sowie die Vermittlung eines entsprechenden Büros für die Schadstoffanalytik. In jedem Fall obliegt uns aber die Planung der eigenen Abbruchtechnologie.

Das beschreibt zugleich Ihren Ansatz. Sie heißen nicht umsonst Caruso Umweltservice, der Schutz der Umwelt und Nachhaltigkeit sind also Leitprinzipien.

Beides ist uns in der Tat seit jeher überaus wichtig. Der Name Umweltservice entstand bereits am 30. August 1990, als ich ihn offiziell in Leipzig, damals noch DDR in der Übergangsphase, anmeldete. Auch der grüne Baum im Logo war von Anfang an ganz bewusst dabei.

Also Jahre, Jahrzehnte, bevor es zum Trend und zum anerkannten Ideal auch für die Wirtschaft wurde.

Erst recht in der Bau- und Abbruchindustrie fanden das damals noch viele erstaunlich. Es passte aber einfach zu unserem Geschäftsmodell, bei dem wir am Anfang unter anderem eine Art überdimensionalen Staubsauger für Stäube, Aschen, Altsande, Schutt und Gebäudeabfall einsetzten.

Echte Pionierarbeit also …

Ja, mit einem winzigen Büro und einem Telefonanschluss in Leipzig. Von dort startete ich die Auftragssuche. Als junge Frau in der Branche manchmal belächelt, aber letztlich erfolgreich. Nicht zuletzt durch das Glück, gleich am Anfang einen Großauftrag in einem Kraftwerk in der Region zu erhalten. Hier hat mein damals noch sehr kleines Team in Tag- und Nachtschicht erfolgreich gearbeitet. Das hatte zur Folge, dass sich unsere Kompetenz und Zuverlässigkeit herumsprachen. Entsprechend konnten wir den Betrieb immer weiter ausbauen. Übrigens nicht zuletzt durch die besondere Herausforderung der vielen Gebäude, die mit Asbest verseucht waren. Der Stoff war in der DDR besonders intensiv genutzt worden. Interessant, dass zwar im Westen ebenfalls Asbest verbaut worden war, aber meist in anderer Form.

Sie sind für mich eine Pionierin in dreierlei Hinsicht: als Frau in einer Männerbranche, als eine Art Startup, bevor der Begriff überhaupt modisch wurde, und im Bereich Nachhaltigkeit. Bravo!

(lacht) Nicht zu verwechseln mit den „Jungen Pionieren“, aber danke für das Lob.

Gehört auch die Analyse der Bodenkontamination zu Ihrem Aufgabenbereich?

Entweder liegt diese schon vor, oder wir arbeiten hier mit entsprechenden Büros zusammen.

Nachhaltigkeit heißt ja auch Kreislaufwirtschaft. Spielt die Wiederverwendung von Material für Sie eine Rolle?

Diese ist sogar unser ständiger Begleiter. Wir haben ein Verwertungsgebot: Was auch immer weiter verwertet werden kann, wird verwertet. Egal, ob mineralischer Bauschutt ohne Schadstoffe oder Beton, bei dem es besonders unproblematisch ist. Wir haben dazu spezielle Recyclingtechniken, sehr häufig sogar direkt vor Ort.

Auch als Vorsortierung des Materials?

Eine systematische Vorsortierung gehört schon immer zu unserem Standard.

Fast wie die gelbe Tonne und weitere im Großformat. Mit Ihrer langen Erfahrung müssten Sie ja auch für die Politik beratend tätig sein.

Immer mal wieder wurde ich zu bestimmten Themen in die Ministerien eingeladen, vor allem in meiner langjährigen Funktion als Landesvorsitzende des Deutschen Abbruchverbandes für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Beim Abbruchverband war ich eine Zeit lang auch im Vorstand aktiv – bisher als einzige Frau. Weiterhin wurde ich zum Thema Asbest gelegentlich von der Politik um fachlichen Rat gebeten. Und schließlich bin ich in der Bauberufsgenossenschaft als Arbeitgebervertreter ehrenamtlich tätig.

Spielt Robotik über die genannten ferngesteuerten Bagger hinaus bei Ihnen eine Rolle?

Wir sind auf einem sehr hohen Niveau technologisiert. Aber für die meist hochkomplexen Aufgaben ist immer noch der Mensch Dreh- und Angelpunkt.

Wie viel Umsatz generieren Sie aktuell?

Zwischen sechs und elf Millionen bei rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Diese rekrutieren Sie aus der Region?

Die meisten unserer Mitarbeiter kommen aus Leipzig und Umgebung. Einige sind sogar schon von Anfang an dabei. Wichtig sind uns neben der Kompetenz auch Loyalität und Motivation sowie die Bereitschaft, das Unternehmen als Gemeinschaft zu begreifen.

Die Motivation und der Bildungshintergrund sind für Sie mit entscheidend.

Eine gute Ausbildung, auch bei weniger formalisierten Abschlüssen, sowie die Bereitschaft zu lernen, der persönliche Einsatz und Teamfähigkeit sind uns wichtig. Individuelle Risikoeinschätzung und Entscheidungsfähigkeit sind ebenso relevant. Schließlich muss mit unseren hochwertigen Geräten verantwortungsvoll umgegangen und der Arbeitsschutz verinnerlicht werden.

Funktioniert die Zusammenarbeit mit den Behörden ebenso vertrauensvoll?

Im Prinzip schon. Leider hat aber der vermeintliche Bürokratieabbau eher dazu geführt, dass wir umso mehr in das Reporting nahezu jeden Arbeitsschritts investieren müssen. All das kostet Geld und Zeit mit nicht immer nachvollziehbaren Verbesserungen für Wirtschaft und Politik.

Ist dies immer noch ein Thema für den BVMW?

Unser Verband setzt sich stark für den Bürokratieabbau und die anderen Probleme des Mittelstands ein. Die Ernennung zur Senatorin h.c. des BVMW hat mich daher sehr geehrt. Mein Prinzip, und vielleicht auch das anderer Mittelständler, lautet „Liquidität geht vor Rentabilität“. Wir sind damit bisher gut gefahren, haben, wo immer möglich, das Geld im Unternehmen gelassen, nicht nur auf Förderung und Kredite gesetzt. So verfügen wir über ein solides Eigenkapital, das nun durch das sogenannte „Verwahrentgelt“, also Negativzinsen, minimiert wird. Eine Art Enteignung und Bestrafung für sorgsames Wirtschaften. Auch das ist wohl ein Thema für den Verband.

Diese Liquiditätspriorität darf doch nicht auch noch negativ sanktioniert werden. Das geht an das Fundament des soliden deutschen Mittelstands. Ein weiterer Wert in Ihrem Leben ist die Betonung der Selbstverständlichkeit von Frauen in Führungspositionen.

Nach durchaus einigen Schicksalsschlägen würde ich eigentlich sagen, es ist eine Frage des Durchhaltevermögens, führend tätig zu sein, nicht eine des Geschlechts.

Das perfekte Schlusswort. Danke für das tolle Gespräch.

Das Gespräch führte der Medienexperte Prof. Dr. Jo Groebel

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