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01.06.2022

Staus mit smarter Technik vermeiden

Kooperative Verkehrssysteme helfen, die verstopften Innenstädte zu entlasten, erklärt Markus Mahler, CEO der s.a.d Systemanalyse und -Design GmbH.

Autor: Rüdiger Muth

Im Interview berichtet er zudem von der Funktion und den Vorteilen der Systeme.

DER Mittelstand.: Viele Innenstädte sind total verstopft. Darunter leidet auch der Öffentliche Personennahverkehr. Was kann man dagegen tun?

Markus Mahler: Wir müssen mit dem Platz, den wir haben, auskommen. Das bedeutet sicher, dass wir manchmal den Autofahrenden Platz wegnehmen müssen, denn wir wollen dem Radverkehr mehr Raum geben. Den Platz, den wir weiterhin für den Autoverkehr und den ÖPNV, also Busse und Trams, nutzen wollen, müssen wir besser nutzen als bisher. Wir müssen mehr Fahrzeuge in der gleichen Zeit durch das System schleusen als bisher. Das geht nur mithilfe von präziseren Lichtsignalanlagen, also Ampelsteuerungen. Dabei handelt es sich um kooperative intelligente Verkehrssysteme, die mit den Verkehrsteilnehmern kommunizieren.

Welche Vorteile haben die Systeme?

Man kann beispielsweise präziser prognostizieren, wann ein Fahrzeug an der Ampel eintrifft und dann den Verkehr besser steuern, also zum Beispiel mehr Fahrzeuge in einer Grünphase durchfahren lassen. Durch die neue Technologie ist es auch möglich, den Fahrerinnen und Fahrern der Busse und Trams eine Rückmeldung ins Fahrzeug zu geben, ob der Beschleunigungswunsch von der Steuerung der Lichtsignalanlage erfasst wurde und wann voraussichtlich eine Freigabe zu erwarten ist.

Wie funktioniert die Kommunikation der verschiedenen Systeme?

Die Idee der Kommunikation stammt ursprünglich von den Automobilherstellern. Fahrzeuge unterhalten sich mit anderen Fahrzeugen, um zum Beispiel Gefahren zu minimieren. Diese Technik nutzen wir, um Lichtanlagen zu beeinflussen. Die Rückmeldung von Lichtsignalanlagen in das Fahrzeug hinein ist eine Vorstufe des autonomen Fahrens. Die s.a.d GmbH spezialisiert sich darauf, solche Systeme in Bussen und Straßenbahnen zur Verfügung zu stellen, damit der ÖPNV zügiger läuft.

Kann ein modernes System mit bereits existierenden älteren Systemen verbunden werden?

Diese älteren Systeme laufen analog, sie sind von der Konzeption ungefähr 40 Jahre alt. Es gibt immer weniger Geräte, die das können und auch immer weniger Fachleute, die sich damit auskennen. Und was auch entscheidend ist: Die Datenmengen, die mit diesen Systemen übertragen werden, sind deutlich geringer als die Mengen, die heute möglich sind. Aber gerade diese Daten sind es ja, die uns die wichtigen Informationen über den Verkehr geben. Die alten Systeme werden also abgelöst. Wir brauchen aber Migrationspfade, wir müssen also die alte Technik in die neue überleiten – und das ist oft die größte Herausforderung überhaupt. Es müssen gleichzeitig die Lichtsignalanlagen und die ÖPNV-Fahrzeuge umgerüstet werden, und es müssen sowohl die „alte“ Technologie zusammen mit der neuen Beschleunigungstechnologie parallel funktionieren. Für den Umrüstungsweg müssen zudem mehrere Jahre eingerechnet werden.

Die Menge der anfallenden Daten wächst vermutlich immens?

Richtig. Die Städte benötigen daher die Infrastruktur wie schnelle Kupfer- oder sogar Glasfaserkabel, um sie austauschen zu können. Es sind aber auch neue Kompetenzen bei den Anbietern gefragt – der Lötkolben von früher wird durch Big Data und Künstliche Intelligenz abgelöst. Das bedeutet neue Chancen und auch neue Herausforderungen.

Sind die ausgetauschten Daten sicher?

Bei den analogen Techniken wurde über das Thema Hacken von Daten überhaupt nicht nachgedacht. Das ist natürlich heute ganz anders. Es gibt beispielsweise die public key infrastructure, bei der ausschließlich zertifizierte Geräte zum Senden und Empfangen genutzt werden.

Wird das System bereits im Betrieb genutzt?

Die Stadt Kassel zum Beispiel setzt es bereits – wie andere Städte auch – im realen Betrieb ein. Damit sind wir über den Probebetrieb bereits hinaus. Sie sind ein wichtiger Baustein zur Entwicklung der zukünftigen Smart City, zu der ein intelligent gelenkter Verkehr unbedingt dazugehört.

Das Interview führte Rüdiger Muth, BVMW Leiter der Wirtschaftsregionen Rhein-Main und Nordhessen.

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