34.807 Millionen Tonnen betrug 2020 der weltweite CO2  Ausstoß. Quelle: Statista

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01.06.2022

Wenn das Wachstum an Grenzen stößt

Der Club of Rome veröffentlichte 1972 seinen berühmt gewordenen Bericht über die Grenzen des Wachstums.

Autor: Dr. Hans W. Steisslinger, Ralph Lubasch, Frode Hobbelhagen

Was können wir 50 Jahre später aus den Erkenntnissen der Forscher lernen?

Oft ist es schwer zu veranschaulichen, was es bedeutet, wenn menschengemachtes Wachstum an den natürlichen Grenzen unseres Planeten zehrt. In manchen Momenten aber, da liegen die Dinge völlig klar. Der 18. Januar 2022 war so ein Tag der Klarheit. An diesem Tag hat eine Gruppe von Forschern des Stockholm Resilience Centre erstmals eine wissenschaftliche Vermessung der planetaren Grenzen im Bereich der Einbringung neuartiger Substanzen und Organismen vorgelegt. Die Zahlen sind ein beeindruckendes Manifest des Überflusses: 350.000 Arten künstlich hergestellter Chemikalien sind heute auf dem Weltmarkt verfügbar. Seit 1950 ist die globale Produktion um den Faktor 50 gestiegen, so die Forscher. Gelangen sie in die Umwelt, sind die Folgen oft nicht absehbar. Trotzdem wird sich diese bereits atemberaubende Zahl bis 2050 ein weiteres Mal verdreifachen – obwohl wir die Grenzen des Erdsystems bereits heute bei weitem überschritten haben. Der Stress für das Erdsystem nimmt so immer weiter zu, verbunden mit starken negativen Folgen für Biodiversität und biochemische Kreisläufe.

Ressourcenverbrauch wirksam verringern

Wir können also schwerlich behaupten, wir wüssten nicht, dass ungebremstes materielles Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht endlos funktionieren kann. Der bisher mehr als sorglose Umgang mit diesem Wachstum stellt uns aber vor ein immer größer werdendes Dilemma: Wollen wir unsere natürliche Lebensgrundlage retten, müssen wir unseren Ressourcenverbrauch schnell und wirksam verringern. Gleichzeitig wird die Transformation unserer Gesellschaft hin zur Klimaneutralität in vielen Wirtschaftssektoren ein enormes Wachstum notwendig machen, wie beispielsweise in der Photovoltaik- und Windkraftbranche. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir als Unternehmer und Konsumenten aus diesen Erkenntnissen, und wie machen wir Geschäftsmodelle fit für die Zukunft?

„Gerade als Unternehmerinnen und Unternehmer tragen wir eine besondere Verantwortung dafür, zukünftig ein gutes Leben für Mensch und Natur zu garantieren.”

Neue Wachstumslogik

Genau diese Frage bringt uns zurück zum Club of Rome. Vor genau 50 Jahren beschrieben die Forscher, welche gravierenden Folgen ein weiterhin ungebremstes Wachstum der Industrialisierung und der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe auf die Stabilität des Ökosystems Erde haben würde. Aber sie beschrieben auch, wie wir diese Entwicklung abwenden können – indem wir einen Gleichgewichtszustand erreichen, der die materielle Lebensgrundlage für jeden Menschen auf der Erde sicherstellt und Spielraum für die Entwicklung individueller menschlicher Fähigkeiten und die Erreichung persönlicher Ziele lässt. Die Zeit, dieses Ziel zu erreichen, wird jedoch immer knapper. Deshalb müssen wir nun schnell und entschlossen Abschied nehmen von unserem linearen Verständnis des Ressourcenverbrauchs und uns hinbewegen zu einer echten, vollumfassenden Kreislaufwirtschaft.

Aber selbst wenn wir so viele Rohstoffe wie möglich mittels Circular Design dauerhaft im Kreislauf halten könnten, wäre das noch nicht die Befreiung von einer destruktiven Wachstumslogik. Klar ist, dass wir auch in Zukunft Wachstum in bestimmten Bereichen benötigen – denken wir nur an das bereits erwähnte Beispiel der Energieversorgung. Klar ist aber auch, dass wir bisher nicht ansatzweise genug unternommen haben, um die schlimmsten negativen Entwicklungen auf unserem Planeten abzuwenden. Nun stehen wir vor der Wahl: Machen wir weiter wie bisher und graben uns die eigene Lebensgrundlage ab, oder brechen wir endlich auf und schaffen wir eine Welt, in der wir mit unserer natürlichen Umwelt im Gleichgewicht bestehen können?

Ein wahrhaft vertracktes Problem

Die Bewältigung dieses Problems wird uns nur gemeinsam gelingen, denn die Komplexität der Herausforderung übersteigt die Problemlösungskapazitäten einzelner Individuen, Unternehmen und staatlicher Institutionen. Damit wir am Ende erfolgreich sein können, benötigen wir deshalb eine kollektive Anstrengung jenseits der bisher bekannten Formate – einen kollaborativen Prozess, in dem Menschen, Unternehmen und staatliche Akteure gemeinschaftlich wirtschaftliche Modelle entwickeln, die uns ein gutes und gesundes Leben im Einklang mit unserem Planeten garantieren. Denn nur, wenn wir grundlegende Entwicklungsschritte machen und unsere Lebensstile, Versorgungsmuster und Produktionsweisen an die Grenzen anpassen, die uns unsere natürliche Umwelt setzt, werden wir auf Dauer wirtschaftlich und sozial erfolgreich sein können.

Gerade als Unternehmerinnen und Unternehmer tragen wir eine besondere Verantwortung dafür, zukünftig ein gutes Leben für Mensch und Natur zu garantieren. Was wir dafür brauchen, ist ein öko-soziales Innovationsprojekt. Für die Initiierung und Moderation eines solchen Innovationsprojekts ist der Mittelstand der ideale Akteur. Wir sollten die Chance ergreifen und unserer Verantwortung gerecht werden.

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