Streitobjekt: Das Bio-Siegel auf dem Webshop von Claus Roetings Firma Crimex. Weil ihm für seinen Onlineshop ein Zertifikat fehlte, wurde die Firma abgemahnt. Dagegen ging der Unternehmer vor – und bekam vor dem Landgericht Osnabrück recht.

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01.06.2022

Aufatmen nach Abmahnung?

Weil ihm für seinen Onlineshop ein Zertifikat fehlte, ist BVMW-Mitglied Claus Roeting abgemahnt worden. Doch nicht nur ihm flatterte ein solches Schreiben ins Haus. Gegen die Abmahn-Praxis ging er vor – und bekam vor dem Landgericht Osnabrück Recht.

Ein kleiner Fehltritt im Netz kann für Onlinehändler schnell teuer werden, denn er reicht, um eine Abmahnung zu kassieren. Das musste Ende vergangenen Jahres auch der Osnabrücker Unternehmer Claus Roeting feststellen. Und er ist nicht alleine: Einer Händlerbund- Studie zufolge gaben 20 Prozent der befragten Unternehmen an, im vergangenen Jahr eine Abmahnung kassiert zu haben.

Dass er einen Fehler gemacht hat, bestreitet Roeting nicht. Er betreibt seit mehr als 20 Jahren einen Webshop für Werbeartikel von Gummibärchen bis zum bedruckten T-Shirt. Im Sortiment hat der Dienstleister, die Crimex GmbH, auch Bio-Artikel. Um diese zu vertreiben, benötigt der Osnabrücker ein Öko-Zertifikat. Eine Formsache, so der Unternehmer. Das Zertifikat könne innerhalb weniger Stunden online für weniger als 500 Euro erworben werden.

Doch als ihm wegen genau dieses Zertifikats eine Abmahnung im Auftrag der Hamburger Giffits GmbH ins Haus flatterte, fehlte es, gibt der Unternehmer zu.

Mehr als 50 Unternehmen abgemahnt

„Unwissenheit schützt nicht vor Strafen", sagt der Osnabrücker, der das Zertifikat eigenen Angaben zufolge daraufhin umgehend beantragt und erhalten habe. Die Bio-Produkte seien bis dahin vorübergehend aus dem Sortiment genommen worden. Wogegen sich Roeting jedoch wehrt, ist die Praxis des Unternehmens, das abgemahnt hat.

Nicht nur der Osnabrücker Unternehmer erhielt Ende des Jahres ein Schreiben im Auftrag der Giffits GmbH mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, die eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 Euro vorsah. Als Streitwert, der für die Höhe der Abmahngebühren relevant ist, wurden 100.000 Euro angesetzt. Roeting unterschrieb nicht.

Nahezu identische Abmahnungen gingen auch an mehr als 50 weitere Unternehmen, erklärt Roetings Anwalt Marcus von Welser, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Aus seiner Sicht ein klarer Verstoß gegen das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs", welches die Bundesregierung 2020 verabschiedet hat.

Es soll genau dieser Praxis der Abmahnindustrie – auf Abmahnung spezialisierte Unternehmen und Anwaltskanzleien, die damit ihr Geld verdienen – einen Riegel vorschieben. Das Landgericht Osnabrück hat ihm nun Recht gegeben. Der Antrag der Giffits GmbH auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde zurückgewiesen.

Richtungsweisendes Urteil aus Osnabrück?

Dies begründete das Landgericht unter anderem damit, dass die Giffits GmbH nicht dargelegt habe, dass sie mehrere gleichlautende oder zumindest demnach vergleichbare Abmahnungen in engem zeitlichen Zusammenhang verschickt habe. Auch die geforderte Vertragsstrafe sah das Landgericht als offensichtlich überhöht an. Für Rechtsanwalt von Welser ist das Osnabrücker Urteil richtungsweisend. „Das Landgericht Osnabrück hat festgestellt, dass spätestens mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Gericht gegenüber offengelegt werden muss, wie viele gleich oder ähnlich lautende Abmahnungen in engem zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen wurden. In vielen Fällen weiß der Abgemahnte nämlich gar nicht, dass die Abmahnung, die er erhalten hat, Teil einer großen Abmahnwelle ist", so von Welser. Das Ziel der Bundesregierung, mit der Gesetzesnovelle einen Abmahnmissbrauch zu verhindern, sei nun umgesetzt.

Auch wenn das Osnabrücker Urteil noch nicht rechtskräftig ist, Unternehmer Claus Roeting ist froh, dass das Verfahren so ausgegangen ist. Es ist eines der ersten Urteile nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes. In Parallelverfahren hatten zwei Oberlandesgerichte entgegengesetzt zu dem Osnabrücker Richter entschieden. In nächster Instanz könnte der Fall vor dem Oberlandesgericht Oldenburg verhandelt werden.

Der Beitrag erschien in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Nina Kallmeier
Wirtschaftsredakteurin Neue Osnabrücker Zeitung
redaktion@noz.de

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