Gemäß dem „New Work“-Konzept des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann soll unsere Arbeit uns Spaß machen, sich mit dem Privaten, unseren Interessen und Werten vereinbaren lassen. In der Arbeitswelt reichen die Bausteine von agilen Methoden über Jobrotation-Konzepte bis hin zu digitalen Formen der Zusammenarbeit. In der Corona-Zeit haben sich viele Betriebe zwangsläufig digitaler aufgestellt. Dem Psychologen und Journalisten René Träder zufolge geht jeder anders mit Autonomie um: Den einen stresst und den anderen motiviert sie. „Für Führungskräfte heißt das, individuell zu schauen, was für wen geeignet ist.“
Im Homeoffice ermöglichen digitale Tools, dass der Betrieb und die Kommunikation untereinander weiterlaufen. „Auch Lebens- und Arbeitszeitmodelle lassen sich durch die Digitalisierung besser aufeinander abstimmen“, sagt Dr. Elisa Clauß, Expertin für Arbeitswissenschaft und Soziale Sicherung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Beschäftigte, Unternehmen und Kundschaft honorieren die neue Flexibilität.
"Laut DAK-Psychoreport sind die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2000 um 137 Prozent gestiegen."
Für die DAK-Sonderanalyse zum Gesundheitsreport „Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise“ wurden Ende 2019 7.000 Erwerbstätige befragt, fast 6.000 davon nahmen bei der zweiten Erhebung im April 2020 teil. Das Fazit: 2019 empfand nur ein Drittel die Digitalisierung im eigenen Job als Entlastung, in der Pandemie war es fast die Hälfte. Das Stresserleben ging um 29 Prozent zurück. Viele schätzten auch den Zeitgewinn durch die wegfallende Anfahrt und freie Zeiteinteilung.
Als Nachteil empfanden drei Viertel den reduzierten direkten Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen. Und vor allem die unter 30-Jährigen haben Probleme damit, Berufliches und Privates im Homeoffice klar zu trennen. Das Fehlen von Struktur beobachtet Dr. Nadine Müller, Bereichsleiterin Innovation und Gute Arbeit bei ver.di, auch bei Meetings: „Teilweise sitzen Beschäftigte in zwei digitalen Konferenzen gleichzeitig. Auch wie viele Meetings es maximal geben sollte und wie Pausen gestaltet werden, ist häufig noch unklar.“ Digitale Tools müssten laut der Expertin unter Beteiligung der Beschäftigten eingeführt werden, und ihr Einsatz dürfe nicht überfordern.
Auch in der Politik diskutiert man derzeit intensiv: Wie soll das Arbeiten von zu Hause gerecht gestaltet werden? Soll es ein Recht auf Homeoffice geben? „Uns ist vor allem ein verbindlicher Arbeits- und Gesundheitsschutz wichtig, außerdem das Recht, den betrieblichen Arbeitsplatz zu behalten und jederzeit vom Homeoffice voll dorthin zurückkehren zu können“, sagt Dr. Müller. Die Zukunft der Arbeit wird hybrid sein, resümiert der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes in seiner Homeoffice-Studie 2020. Zudem seien Aushandlungsprozesse nötig, „mindestens für einzelne Unternehmen, eher sogar für bestimmte Arbeitsbereiche, womöglich sogar individuell. Personalarbeit und Führung werden dadurch kleinteiliger – doch der Aufwand lohnt sich, wenn Lösungen gefunden werden, die Gesundheit, Motivation und Commitment steigern.“
Es ist ein besorgniserregender Trend: Laut DAK-Psychoreport sind die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2000 um 137 Prozent gestiegen. Der globale Schicksalsschlag Pandemie fordert die Seele zusätzlich heraus: „Soziale Isolation, Informationsüberflutung und Angst um die Gesundheit, vor Arbeitslosigkeit oder Insolvenz bedrücken viele Menschen“, so René Träder. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn starteten deshalb im Oktober 2020 die „Offensive Psychische Gesundheit“ für einen offeneren Umgang mit solchen Belastungen. „Arbeit darf nicht krank machen“, sagt der Bundesarbeitsminister. „Gerade weil Menschen an ihrem Arbeitsplatz sehr viel Zeit verbringen, muss hier besser auf ihre Gesundheit geachtet werden. Viele Menschen erleben dabei den schmalen Grat zwischen Belastung und Überlastung“.
„Unternehmen sind verpflichtet, Verhältnisse zu schaffen, die die Gesundheit erhalten und Gefährdung verhindern“, weiß Dr. Elisa Clauß. Studien zufolge gelingt das vielfach schon gut. Sinnvoll ist es laut Dr. Clauß außerdem, die Beschäftigten dazu zu befähigen, gut für sich zu sorgen, etwa indem sie Entspannungstechniken erlernen oder ihre Resilienz trainieren. „Resilienz ist das Immunsystem der Psyche – und das kann jeder selbst aktiv stärken“, sagt René Träder. Als wichtigen Baustein hat er die Verantwortungsübernahme identifiziert: „Also nicht den anderen – der Regierung, dem Unternehmen und so weiter – allein die Verantwortung dafür geben, dass es einem gut geht, sondern auch sich selbst.“ Sich Ziele zu setzen oder sein persönliches Netzwerk zu pflegen sind ebenfalls wichtig, ebenso wie regelmäßige Erholung. „Man kann zum Beispiel auch achtsam essen oder spazieren gehen. Und zwischendrin einfach mal den Flugmodus im Handy aktivieren – und in Achtsamkeits-Modus umbenennen.“
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Petra Willmann
Leiterin Kooperationsvertrieb West DAK-Gesundheit
Thomas Corrinth
Journalist