Mittelstandsallianz und bagsv schließen Kooperation
BVMW
Zentraler Austausch beim Round Table mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Tino Sorge
Beim Round Table im Bundesministerium für Gesundheit trafen am 11. November zentrale Akteure der Gesundheits-, Pflege- und Wissensarbeitsbranche aufeinander, um gemeinsam über notwendige Reformen zu diskutieren. Der Austausch mit Parlamentarischem Staatssekretär Tino Sorge machte deutlich, wie groß der Handlungsdruck in mehreren Bereichen des Gesundheitssystems ist: von psychotherapeutischer Versorgung über Hauswirtschaft und Pflege bis hin zu Sprachmittlung und Wissensarbeit.
Einen Schwerpunkt bildete die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Heidemarie Hille, Präsidentin des Fachverbandes InGes, machte deutlich, dass viele Kinder durch die Pandemie nachhaltig belastet sind. Fehlende soziale Kontakte, Angstzustände und Entwicklungsrückstände wirken nach; gleichzeitig liegen die Wartezeiten für Therapieplätze vielerorts bei bis zu zehn Monaten. PStS Sorge verwies auf die laufenden Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung und betonte die Bedeutung besserer Vergütungsstrukturen sowie digitaler Angebote. Dass die Bedarfsplanung für psychotherapeutische Versorgung seit 26 Jahren unverändert ist, kritisierte der Verband deutlich.
Ein weiterer zentraler Punkt war die Bedeutung der hauswirtschaftlichen Versorgung. Über 80 % der Pflegebedürftigen leben zuhause. Ohne hauswirtschaftliche Unterstützung wäre dies häufig nicht möglich. Dennoch ist die Profession in der Gesetzgebung bis heute unterrepräsentiert. Die Verbände mahnten an, dass Schwarzarbeit im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen weiterhin über 90 % ausmacht, Ausbildungszahlen rückläufig sind und die Hauswirtschaft im SGB XI bislang nicht verankert ist.
PStS Sorge betonte in diesem Zusammenhang die präventive Bedeutung haushaltsnaher Unterstützung. Sein Fazit: „Unter dem Strich geht es darum, dass die Einschränkungen im täglichen Leben auch eine gewisse Frage von Prävention sind. Wenn man das über gewisse Dinge abpuffern kann, dann ist das nicht nur gewonnene Lebensqualität, sondern auch ein präventiver Gesundheitsschutz.“
Der Bundesverband Selbstständige Wissensarbeit machte auf Herausforderungen rund um Honorarärzte, Poolärzte und Zeitarbeit aufmerksam. Besonders im Fokus steht die fehlende Möglichkeit, Fachkräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren, obwohl der Fachkräftemangel steigt.
Hinzu kommt die Umsatzsteuerproblematik: Viele gemeinwohlorientierte Einrichtungen sind nicht vorsteuerabzugsberechtigt; dadurch verteuern sich Eingangsleistungen um 19 %. PStS Sorge ordnete die Debatte wie folgt ein: „Das ist natürlich eine ganz grundsätzliche Debatte, die ich auch schon seit vielen Jahren führe, und ordnungspolitisch lässt sich nicht erklären, warum gerade im medizinischen Bereich der volle Umsatzsteuersatz gilt.“
Mittelfristig, so betonte PStS Sorge, müsse die Frage der Umsatzsteuer auch in der FinanzKommission Gesundheit sowie in der Bund-Länder-AG zur Pflegereform berücksichtigt werden.
Großen Raum nahm die Frage ein, wie Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung geregelt werden soll. Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer erläuterte, dass fehlende Übersetzung oft zu Fehlversorgung, unnötiger Bildgebung, Drehtüreffekten und höherer Inanspruchnahme von Notaufnahmen führt.
Dass qualifizierte Dolmetscher große Einsparpotenziale bieten, ist bislang kaum Bestandteil der politischen Debatte. Mit Blick auf die geplante Primärarztversorgung warnte der Verband, dass ohne klare gesetzliche Regelungen Sprachbarrieren zu erheblichen Versorgungsengpässen führen könnten.
Der Round Table machte sichtbar, was viele im Gesundheits- und Pflegesystem seit Jahren beobachten: Die bestehenden Strukturen reichen nicht mehr aus, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Psychische Gesundheit, Hauswirtschaft, Sprachmittlung und Wissensarbeit sind zentrale Bausteine eines modernen Gesundheitswesens und benötigen klare gesetzliche sowie finanzielle Rahmenbedingungen.