Ziel des Tariftreuegesetzes
Mit dem geplanten Tariftreuegesetz will die Bundesregierung sicherstellen, dass Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes künftig mindestens die in einem repräsentativen Tarifvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen einhalten. Das ausgelobte Ziel der Bundesregierung ist es, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, soziale Standards zu sichern und Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen zu verhindern. Die Regelung greift ab einem Nettoauftragswert von 50.000 Euro und betrifft neue Vergabeverfahren des Bundes nach Inkrafttreten des Gesetzes.
Welche Punkte sind für den Mittelstand besonders relevant?
- Pflicht zur Tariftreue: Unternehmen, die sich um Bundesaufträge bewerben, müssen sich für die Dauer der Leistungserbringung zur Einhaltung tariflicher Arbeitsbedingungen (Entgelt, Arbeits- und Ruhezeiten sowie Urlaubsanspruch) verpflichten, selbst wenn sie nicht tarifgebunden sind.
- Repräsentativer Tarifvertrag als Maßstab: Maßgeblich sind die Arbeitsbedingungen des repräsentativeren Tarifvertrags; das BMAS entscheidet hierüber auf Basis der von den Sozialpartnern mitzuteilenden Mitglieder‑ und Beschäftigtenzahlen.
- Geltungsbereich: Das Gesetz gilt für alle Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge sowie Konzessionen des Bundes ab einem Nettoauftragswert von 50.000 Euro. Vergaben von Ländern und Kommunen sind nicht betroffen.
- Kontrolle und Sanktionierung: Die Einhaltung der Tariftreue soll durch stichprobenartige Prüfungen öffentlicher Auftraggeber kontrolliert werden. Bei Verstößen drohen Vertragsstrafen, Kündigung des Auftrags oder der Ausschluss von künftigen Vergaben.
- Ausnahmen: Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge durch ein Land im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund sowie die Deckung von Bedarfen der Bundeswehr (bis zum 31.12.2032) sind ausgenommen.
Einschätzung des BVMW
Der Grundgedanke fairer Arbeitsbedingungen im Bundesvergabewesen ist nachvollziehbar. Aus Sicht des Mittelstands wirft der Entwurf jedoch Bedenken hinsichtlich Umsetzung und Folgen auf:
- Bürokratischer Mehraufwand: Die Pflicht zur Gewährung der Arbeitsbedingungen eines „repräsentativen Tarifvertrags“, auch ohne eigene Tarifbindung, erzeugt erheblichen Prüf- und Nachweisdruck.
- Verdrängungsrisiko für kleinere Anbieter: Die Vorgaben des Gesetzes führen zu einer faktischen Orientierung an tariflichen Strukturen größerer Unternehmen. KMU haben es deutlich schwerer, solche Lohnstandards wirtschaftlich abzubilden, da der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten bei ihnen typischerweise besonders hoch ist. Selbst wenn faire Löhne gezahlt werden, geraten nicht tarifgebundene Unternehmen somit unter Druck. Für viele dieser KMU lohnt sich eine Teilnahme an Vergaben des Bundes unter diesen Bedingungen kaum noch. Dies hat zur Folge, dass kleinere Anbieter zunehmend aus dem Bundes-Vergabemarkt gedrängt werden könnten.
- Vergaberechtlicher Flickenteppich: Da das Gesetz nur Bundesvergaben betrifft, entsteht ein weiterer Flickenteppich mit uneinheitlichen Regeln auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Für mittelständische Unternehmen, die sich auf mehreren Ebenen für öffentliche Vergaben bewerben, entsteht dadurch zusätzlicher Aufwand und Rechtsunsicherheit.
Fazit
Der Entwurf setzt ein symbolisches Signal für faire Arbeitsbedingungen, bleibt aber in der praktischen Ausgestaltung bürokratisch und schafft insbesondere für kleinere Unternehmen zusätzliche Unsicherheiten – bei insgesamt begrenzter Wirkung. In dessen jetzigen Form erzeugt das Gesetz einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand beim Wettbewerb um Aufträge des Bundes. Gerade kleinere, nicht tarifgebundene Mittelständler könnten dadurch von der Vergabe des Bundes Abstand nehmen, was eben nicht zu besseren Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer führt. Zudem ist der Anteil der Aufträge des Bundes am gesamtwirtschaftlichen Auftragsvolumen vergleichsweise gering, sodass die Effekte auf Einkommen und Beschäftigungsbedingungen insgesamt begrenzt bleiben dürften.