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Iserlohn, 26.08.2025 Lesezeit: 2 Minuten

Nachbericht „Markterschließung Verteidigungsindustrie“

Wertschöpfungsnetzwerk SVI am 25. August in Iserlohn

Autor:in: Markus Krüger

Am 25. August 2025 trafen sich Unternehmerinnen und Unternehmer in Iserlohn, um im Rahmen des Wertschöpfungsnetzwerks Verteidigung (WSN) über Chancen, Hürden und Strategien für den Eintritt in die Verteidigungsindustrie zu diskutieren. Was auf den ersten Blick nach einer weiteren Fachveranstaltung klingt, entfaltete sich in der Praxis zu einem intensiven Arbeitstreffen mit klarer Botschaft: Der Mittelstand hat eine Rolle zu spielen – wenn er die Spielregeln versteht und sich konsequent vorbereitet.

Ein starkes Signal aus Iserlohn

Bereits die Kulisse bei Risse + Wilke verdeutlichte den Anspruch: Der industrielle Mittelstand will nicht länger Zaungast sein, wenn Milliardenaufträge in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vergeben werden. Nach einer kurzen Begrüßung führte die Unternehmensvorstellung eindrücklich vor Augen, wie vorhandene Kompetenzen aus klassischen Industrien – etwa Stahl, Automotive oder Maschinenbau – eine Brücke in den Defence-Sektor schlagen können.

Die anschließende Vorstellungsrunde zeigte die Vielfalt der Teilnehmer: Zulieferer mit CNC-Präzision, Anbieter von Elektronikkomponenten, aber auch Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen und zunächst Orientierung suchen. Die Mischung machte den Reiz aus – man spürte, dass hier ein echter Markt der Möglichkeiten entsteht, in dem jeder seinen Platz finden kann, wenn er die richtigen Weichen stellt.

Fachimpuls: Zertifizierung als Eintrittskarte

Der Impulsvortrag von Thomas Bolte war ein Weckruf: Wer in die Verteidigungsindustrie will, muss Zertifizierungsfragen nicht als lästige Hürde, sondern als Eintrittskarte verstehen. Im Zentrum standen die NATO-Qualitätssicherungsanforderungen (AQAP).

Was steckt hinter AQAP?

Die Allied Quality Assurance Publications (AQAP) sind kein optionales Add-on, sondern vertraglich bindende Standards, die das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in seine Verträge integriert.

  • AQAP 2105: Vorgaben für Qualitätsmanagementpläne – hier geht es um die systematische Absicherung aller Prozesse.
  • AQAP 2110: Qualitätsanforderungen für Design, Entwicklung und Produktion – im Kern eine ISO 9001, erweitert um Defence-spezifische Anforderungen.
  • AQAP 2131: Anforderungen für Endprüfung und Test – Qualitätssicherung am Ende der Kette.
  • AQAP 2310: Spezielle Standards für Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung, angelehnt an EN 9100.

Wichtig: Die AQAP selbst sind kein Zertifikat, sondern eine vertragliche Verpflichtung. Unternehmen müssen nachweisen, dass sie über Managementsysteme verfügen, die die Anforderungen abdecken – typischerweise über bestehende Zertifizierungen wie ISO 9001 oder EN 9100, ergänzt durch spezifische Prozesse.

Bolte machte klar: „Wer AQAP ignoriert, kommt nicht in den Markt.“ Der Aufwand sei überschaubar, wenn man strukturiert vorgeht: Gegenüberstellung der AQAP-Anforderungen mit bestehenden Prozessen, klare Dokumentation und frühzeitige Vorbereitung. Für viele Mittelständler, die aus der Automotive-Welt mit IATF 16949 oder ähnlichen Standards kommen, ist das kein Sprung ins kalte Wasser, sondern eher eine saubere Übersetzung in ein neues Spielfeld.

Der Markt im Umbruch

Im anschließenden Austausch wurde deutlich: Der Verteidigungsmarkt ist kein offenes Spielfeld, sondern ein eng getaktetes Ökosystem. Die großen OEMs – Rheinmetall, Airbus Defence, HENSOLDT – arbeiten am Limit. Auftragsbücher voll, Ressourcen knapp, Entscheidungsketten verlangsamt.

Konsequenzen für den Mittelstand

  • Direkter Einstieg bei OEMs ist derzeit kaum realistisch. Neue Einzelzulieferer stehen dort schlicht nicht auf der Agenda.
  • Tier-1-Strukturen gewinnen an Gewicht. OEMs lagern Verantwortung aus – ganze Subsysteme, Qualitätssicherung, Integration.
  • Mittelstand findet Chancen bei Tier-1 und Tier-2. Wer hier ins Spiel kommt, hat Aussicht auf relevante Volumina.

Besonders eindrücklich war die Botschaft: OEMs suchen weniger nach einzelnen Spezialisten, sondern nach Paketen. Wer gemeinsam mit Partnern Sensorik, Mechanik und Software anbieten kann, hat klar bessere Karten als Einzelkämpfer.

Sichtbarkeit als Schlüssel

Ein weiterer Schwerpunkt: die Frage, wie Unternehmen überhaupt sichtbar werden. Klassische Akquise beim OEM läuft ins Leere. Die Lösung liegt im ökosystemischen Ansatz: Netzwerke, Kooperationsverbünde und digitale Sichtbarkeit.

Der Paradigmenwechsel ist spürbar: Entscheider verlassen sich immer weniger auf Google, sondern zunehmend auf KI-gestützte Systeme wie ChatGPT. Das bedeutet: Wer nicht maschinenlesbar präsent ist – mit strukturierten Inhalten, klarer Positionierung und belegbaren Referenzen – existiert in diesem Kontext schlicht nicht.

Die Frage, die im Raum stand, lautete: „Wenn ChatGPT nach einem Anbieter Ihrer Branche gefragt wird – nennt es Ihr Unternehmen?“

Offener Austausch – praxisnah und ehrlich

Besonders wertvoll waren die Q&A-Runden:

  • Wie genau bereite ich ein Audit nach AQAP vor?
  • Welche Mindestanforderungen erwarten Tier-1 von ihren Zulieferern?
  • Wie baue ich Kooperationssignale auf, ohne mich selbst zu überfordern?

Die Diskussionen blieben nicht im Theoretischen, sondern griffen konkrete Erfahrungen auf. Teilnehmer berichteten von ersten Gesprächen mit Tier-1, von fehlenden Rückmeldungen seitens OEMs, aber auch von Erfolgsgeschichten, wenn Zertifizierung und Referenzen sauber aufbereitet waren.

Fazit: Momentum nutzen

Das Treffen in Iserlohn hat eindrücklich gezeigt: Der Mittelstand wird gebraucht – als flexibler, resilienter und innovativer Partner. Aber er muss sich positionieren. Wer heute beginnt, Zertifizierungen vorzubereiten, Profile zu schärfen und Allianzen zu schmieden, hat morgen Zugang zu Märkten, die über Jahre Milliardenvolumina bewegen.

Ausblick

Das nächste Netzwerktreffen des WSN Verteidigung ist bereits in Planung. Klar ist: Jedes dieser Treffen ist mehr als ein Austausch – es ist ein Schritt in Richtung kollektive Markterschließung. Wer dabei sein will, sollte nicht abwarten, sondern die Chance ergreifen. Denn die Spielregeln ändern sich rasant. Und wer heute den Mut hat, sich vorzubereiten, wird morgen nicht nur Zulieferer sein – sondern unverzichtbarer Teil der sicherheitsrelevanten Wertschöpfung.

Ihr Ansprechpartner

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Markus Krüger

Leiter des Kreisverbandes ‒ Hagen & Märkischer Kreis

Im Dünningsbruch 18

58095 Hagen

Germany

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