Starken Frauen im Mittelstand: Erleben Sie die spannenden Geschichten weiblicher Talente aus dem Netzwerk des BVMW.
Kerstin Spurk
Die Geschäftsführerin der we empower you GmbH im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.
Wie sind Sie dazu gekommen, Unternehmerin/Führungskraft zu werden?
Ich bin in einer Unternehmerfamilie groß geworden, doch es hat einige Jahre gedauert bis zu meinem ersten Unternehmen. Dieses habe ich 2008 gegründet und meine Motivation war recht einfach: Ich wollte Mutter werden und sah keine Möglichkeit, Beruf und Privates sinnvoll miteinander zu vereinen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits eine Führungsrolle und mir war klar: Kind oder Beruf. Bei meiner Vorgängerin hatte ich miterlebt, was es mit Frauen macht, die Mutter werden … das wollte ich nicht erleben. Außerdem wollte ich mich auch inhaltlich verändern und hab mich damals für ein weiteres Studium und einen berufsbegleitenden MBA entschieden. Mit Abschluss kam dann meine Tochter zur Welt und mein erstes Unternehmen war erfolgreich gegründet.
Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmalgehen? Oder würden Sie etwas anders machen.
Auf jeden Fall. Doch mit dem Wissen von heute würde ich einige Abkürzungen und mir so mehr Zeit für die jungen Jahre meiner Tochter nehmen. Die Zeit ist doch zu schnell vorbeigeflogen und ich hätte sie gerne noch intensiver erlebt. Das ständige selbst und tätig hat mich davon jedoch manchmal abgehalten und die Doppelbelastung ohne doppelten Boden war herausfordernd. Gleichzeitig habe ich viele lehrreiche Jahre hinter mir und Wissen aufgebaut, was mir heute nützt und was ich auch gerne weiter gebe.
Welche Entscheidung würden Sie für sich als Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?
Die Entscheidung, in mich selbst zu investieren und aus dem Beruf zurück an die Universität zu gehen. Diese Entscheidung hat mich von vielen Ängsten befreit, die ich als junge Frau in einer Führungsposition hatte. Sie hat mir außerdem gezeigt, wozu ich fähig sein kann, wie ich in Stresssituationen reagiere und wie mich Neues zu Wachstum anspornt. Diese Entscheidung hat mich freier werden lassen. Und sie hat mein Mindset „Empowerment“ geformt und bis heute geprägt.
Was war die größte Herausforderung, die Ihnen begegnet ist?
Die größte Herausforderung ist die Neugründung meines zweiten Unternehmens. Durch den Erfolg meines ersten Unternehmens war ich satt und auch ein wenig ausgebrannt. Ich habe mich nach ruhigeren Gewässern gesehnt, mit weniger Reisetätigkeit und weniger Verantwortung. Doch das wurde mir leider nicht ermöglicht und gleichzeitig kam mit der durch Corona getriebenen Digitalisierung ein Projekt auf mich zu, dass mich komplett aus der Komfortzone geworfen hat. Mich erneut außerhalb meiner Komfortzone zu befinden und ein neues inneres Feuer für den Neustart zu entfachen, das war und ist herausfordernd.
Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv?
Meine Leidenschaft war und ist schon immer das Empowerment von Menschen, also zur Selbstwirksamkeit zu befähigen. In Unternehmen entdecke ich dieses Mindset nach wie vor viel zu wenig. Es gibt nach wie vor zu wenig Transparenz im Hinblick auf Entscheidungen und Ziele. Es ist nach wie vor für Mitarbeitende schwer nachzuvollziehen, warum Entscheidungen wie und wofür getroffen werden – sowohl auf die eigene Karriere bezogen als auch auf strategisch-unternehmerischer Ebene. Selbstwirksamkeit und Agilität werden gewollt, aber in Unternehmen häufig nicht systematisch unterstützt. Wissen ist nicht so zugänglich wie es sein könnte. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, dann stehen sich Unternehmen häufig selbst im Weg. Hierarchische Strukturen, traditionelle Prozesse und Entscheidungswege werden trotz besserem Wissen (wohl aus Angst) aufrechterhalten. Und das, obwohl die Coronakrise als DAS BEISPIEL für die sogenannte VUCA Welt eigentlich allen Unternehmen gezeigt haben sollte, dass „so wie bisher“ keine zukunftsfähige Strategie ist. Hier können wir nur auf eine neue Generation von Führungskräften warten, die bereit sind, mit neuem Mindset und angstfrei in Bezug auf ihre Mitarbeitenden nach vorne zu gehen.
Da ich meine Leidenschaft, zu empowern, aber nicht verändern werde, verändere ich aktuell meine Perspektive und überlege, wie wir Menschen allen Alters direkt und mit Hilfe von KI zur Selbsthilfe befähigen. Unser KI-Model „NuMee“ wird als kuratierter und privater „Mentor in the Pocket“ alle Fragen rund um Beruf und Weiterentwicklung beantworten und Menschen befähigen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. So zum Beispiel, den richtigen Job zu finden, herauszuarbeiten, ob einem Führung wirklich liegt und man diesen Weg einschlagen sollte, bis hin zu Fragestellungen, die wir dann nicht mehr seitens der KI sondern von echten Menschen beantworten lassen.
Meiner Meinung nach ist und bleibt Digitalisierung ein Werkzeug – der Mensch muss in jedem Falle im Vordergrund stehen.
Wodurch erfahren Sie besondere Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Durch Feedback der Menschen, die ich empowert habe. Wenn ich die Freude miterleben darf, wenn Menschen Selbstwirksamkeit erfahren, eigene Fortschritte sehen und bessere Entscheidungen treffen … Das macht mich glücklich und ich gibt mir Wertschätzung.
Welche Botschaft möchten Sie frisch gebackenen Unternehmerinnen oder Gründerinnen/Führungskräften mitgeben?
1. Angst gehört dazu. Wenn man es jedoch schafft, die Angst in Furcht zu verwandeln, und genau beziffern kann, wovor man sich fürchtet, dann finden sich auch Lösungen und Wege die Herausforderung zu managen.
2. Selbstreflektion ist zwingend. Die Frage ist doch: Wer sitzt im Driver Seat? Und wenn ich das bin, dann bin ich auch für alles verantwortlich. Sich immer wieder die Zeit zu nehmen, und sein eigenen Handeln und seine eigene Rolle zu hinterfragen, muss selbstverständlich werden.
3. Raus aus der Komfortzone. Erfahrung ist wichtig – einverstanden. Aber für all das, was in diesem Zeitalter zukünftig auf uns wartet, dafür gibt es keine Erfahrungswerte. Also müssen wir diese Erfahrungen selbst machen, neues Lernen und ein Mindset entwickeln, das uns nach vorne bringt.
Mit welchen wesentlichen Maßnahmen fördern Sie in Ihrem Unternehmen gezielt Female Empowerment und geben Ihren Mitarbeiterinnen Rückenwind?
Wir arbeiten in internationalen Teams kollaborativ zusammen und in unserer Arbeitskultur zählen:
1. Die Formel „Zeit gegen Geld“ gibt es bei uns nicht. Bei uns zählt nur das Resultat. Dieses Mindset ist Teil unserer Unternehmenskultur und soll Familie als Konzept unterstützen. Das bedingt ein sehr gutes Erwartungsmanagement (Zielsetzung) sowie eine sehr gute Einschätzung der Fähigkeiten. Denn Überstunden sind hier nicht erwünscht.
2. Robuster Dialog und klare Kommunikation. Um diesen führen zu können, ist Vorbereitung zwingend. Kein Meeting ist unvorbereitet.
3. Moderation und flache Hierarchien. Jedes Meeting hat einen Moderator, der darauf achtet, dass Argumente gehört werden und aufbauend diskutiert werden kann.
4. Consent und Commitment. Wenn ich kein besseres Argument vorbringen kann, dann gehe ich mit und bin committed auf das gemeinsam beschriebene Ziel.
Von der Politik erwarte ich hinsichtlich einer stärkeren Unterstützung von Unternehmerinnen und der Entwicklung von Frauen in Unternehmen im Allgemeinen …
…spezielle Förderprogramme, die Unternehmerinnen finanzielle Unterstützung geben.
Was wäre der Soundtrack zu Ihrem Weg in die Selbstständigkeit/zur Führungskraft?
„i_feel_good“ von FATCAT
Ein guter Tag beginnt für mich mit …
…Ruhe, einem Kaffee und einem Buch auf meiner Terrasse.
Wer war Ihre wichtigste Begleitung auf dem Weg in die Selbstständigkeit/zur Führungskraft?
Mein Mann Patrice. Hinter einer starken Frau darf auch mal ein starker Mann stehen. Und meine Tochter, die immer an mich glaubt.
Was wird Ihr nächstes Projekt?
NuMee – your pocket mentor (https://callnumee.com/)
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Ich wollte Pilotin werden und die Welt von oben sehen.
Kerstin Spurk
we empower you GmbH
https://we-empower-you.de/