Starken Frauen im Mittelstand: Erleben Sie die spannenden Geschichten weiblicher Talente aus dem Netzwerk des BVMW.
Larah Ciampa
Die Founderin & CEO von Leap Street im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.
Wie sind Sie dazu gekommen, Unternehmerin/Führungskräfte zu werden?
Ich bin quasi zwischen zwei prägenden Welten aufgewachsen: Auf der einen Seite die unternehmerische Welt meines Vaters, in der es um Strategie, Zahlen und Verantwortung ging. Auf der anderen Seite stand die kreative Welt meiner Mutter, einer Künstlerin, in der Visionen und der Mut, Dinge neu zu denken, im Mittelpunkt standen. Lange dachte ich, ich müsste mich für eine dieser Welten entscheiden.
In meiner eigenen Karriere als Führungskraft habe ich dann gemerkt: Genau dieser angebliche Widerspruch ist die größte Herausforderung in fast jedem Unternehmen. Man hat entweder eine exzellente Strategie ohne kreative Ideen – oder man hat kreative Ideen ohne eine klare Strategie. Der Entschluss, Leap Street zu gründen, war für mich die bewusste Entscheidung, diese beiden Welten zu versöhnen.
Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen.
Mein Weg war sicher keine gerade Autobahn, eher eine kurvenreiche Bergstraße. Es gab Momente des Zweifels und sicher auch Entscheidungen, die ich heute anders treffen würde. Aber jede einzelne Erfahrung – ob die Zeit bei Google, eigene Gründung oder die Führung eines großen Teams – war entscheidend, um meinen inneren Kompass als Unternehmerin zu schärfen. Ich habe gelernt, dass Wandel die einzige Konstante ist und dass in jeder Krise die größte Chance für kreative Lösungen liegt. Dieser Weg hat mich nicht nur zu der Person gemacht, die ich heute bin – er ist die Grundlage für alles, was ich heute an meine Kunden weitergebe. Ich würde den Weg jederzeit wieder genauso gehen.
Welche Entscheidung würden Sie für sich als Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?
Die Entscheidung, meine sichere Konzernkarriere aufzugeben, um selber ein Unternehmen aufzubauen. Ich habe früh erkannt, dass der entscheidende Wettbewerbsvorteil der Zukunft darin liegt, die Stärken eines etablierten Unternehmens mit einer neuen, mutigen Denkweise zu kreuzen. Die Gründung von Leap Street war meine unternehmerische Antwort auf diese strategische Notwendigkeit. Mein Learning dabei: Wahrer Fortschritt entsteht, wenn man den Mut hat, das Bewährte mit dem Neuen zu verbinden.
Was war die größte Herausforderung, die Ihnen begegnet ist?
Acht Wochen nach Antritt meiner neuen Rolle als Vertriebsleiterin machte die Coronapandemie dem damaligen Unternehmen einen großen Strich durch die Rechnung. Anstatt das Vertriebsteam wie geplant zu skalieren, kämpften wir ums nackte Überleben. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass Führung in der Krise nicht bedeutet, einen starren Plan zu haben. Es bedeutet, die enorme Spannung zwischen radikaler Innovation und der Verantwortung für das Team auszuhalten. Und flexibel zu reagieren. Diese Reibung in dieser Krisensituation war definitiv der Motor für unsere Resilienz. Dafür ist ein „Growth Mindset“ meines Erachtens unerlässlich.
Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv?
Mich beschäftigt intensiv die Zerreißprobe, in der viele (weibliche) Führungskräfte im Mittelstand stehen: den tiefen Respekt vor der Tradition mit dem Mut zur radikalen Erneuerung zu verbinden. Wie verwandeln wir diese tägliche Spannung von einer persönlichen Belastung in einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil? Ich erforsche gerade praktische Wege, wie wir unsere volle Bandbreite – von analytischer Schärfe bis zu intuitiver Kreativität – gewinnbringend einsetzen können, ohne uns dabei zu verbiegen.
Wodurch erfahren Sie besondere Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Die größte Wertschätzung ist nicht das Lob für mich, sondern der Moment, in dem ich als Impulsgeberin überflüssig werde. Wenn eine Führungskraft, die sich vorher als „unkreativ“ bezeichnet hat, ihr Team plötzlich mit voller Überzeugung durch eine wilde Ideen-Session führt und dabei selbstverständlich Kreativitätsmethoden anwendet – dann weiß ich, dass ich meine Mission erfüllt habe. Die Ermächtigung der Teams zur Selbsthilfe ist die schönste Form der Anerkennung.
Welche Botschaft möchten Sie frisch gebackenen Unternehmerinnen oder Gründerinnen/Führungskräfte mitgeben?
Widerstehe dem Druck, von Anfang an den perfekten Plan haben zu müssen. Dein Job ist es nicht, alle Antworten zu haben. Dein Job ist es, die perfekten Bedingungen für Entdeckungen zu schaffen – für Dich und Dein Team.
Gib dir selbst die Erlaubnis zum Experimentieren und Spielen. Denn die resilientesten Unternehmen werden nicht auf einem starren Plan gebaut, sondern auf einer Kultur des unermüdlichen, kreativen Lernens.
Mit welchen wesentlichen Maßnahmen fördern Sie in Ihrem Unternehmen gezielt Female Empowerment und geben Ihren Mitarbeiterinnen Rückenwind?
Als Solo-Gründerin ist meine Maßnahme für Female Empowerment mein gesamtes Unternehmen. Meine Mission und mein Geschäftsmodell basieren darauf, Führungsqualitäten zu stärken, die oft als „weiblich“ oder „Soft Skills“ abgetan werden: Intuition, kollaborative Kreativität und die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten. Der Rückenwind, den ich gebe, ist daher die strategische Erlaubnis an meine Kundinnen und die Frauen in meinem Netzwerk, ihre volle, oft als „nicht geradlinig genug“ kritisierte Art der Führung als ihre größte Stärke zu sehen und einzusetzen. Leap Street ist der lebende Beweis, dass dieser Ansatz erfolgreich ist.
Von der Politik erwarte ich hinsichtlich einer stärkeren Unterstützung von Unternehmerinnen und der Entwicklung von Frauen in Unternehmen im Allgemeinen…
… mehr verlässliche, strukturelle Leitplanken. Ganz oben auf der Agenda steht der Mutterschutz für Selbstständige. Ich bin selbst Mutter und Gründerin. Die aktuelle Gesetzeslage zwingt Frauen de facto oft in eine unmögliche Entscheidung zwischen Familie und Unternehmertum. Das ist nicht nur ein persönliches Dilemma, es ist volkswirtschaftlich kurzsichtig. Jedes Mal, wenn eine hochqualifizierte Frau aus Sorge vor fehlender Absicherung zögert, zu gründen oder ihr Unternehmen in der kritischen Anfangsphase aufgeben muss, verlieren wir in Deutschland Innovationskraft, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Welches Buch empfehlen Sie angehenden Unternehmerinnen/Führungskräften?
Ganz klar: „Mindset“ von Carol S. Dweck. Für mich ist es die wichtigste Gebrauchsanweisung für unternehmerische Resilienz. Die simple, aber tiefgreifende Unterscheidung zwischen einem „Fixed Mindset“ (Fähigkeiten sind angeboren) und einem „Growth Mindset“ (alles ist lernbar) ist der Schlüssel, um Rückschläge als wertvolle Lektionen statt als persönliches Scheitern zu sehen. Es ist kein reines Business-Buch – es ist ein Buch fürs Leben.
Womit schaffen Sie in Ihrer Freizeit einen Ausgleich zu Ihrem Arbeitsalltag?
Seit über 20 Jahren ist Joggen mein Weg, um den Kopf freizubekommen. Auf der Laufstrecke sortieren sich die Gedanken oft von selbst, und fast alle meine besten Ideen sind dort entstanden. Meine Yoga-Praxis bildet für mich das Gegenstück: Hier geht es nicht um neue Impulse, sondern um Fokus und darum, wieder ganz bei mir anzukommen. Diese Mischung aus Bewegung und Stille ist für mich der perfekte Ausgleich.
Was wäre der Soundtrack zu Ihrem Weg in die Selbstständigkeit/zur Führungs- kraft?
Oh, das wäre definitiv eine Playlist mit starken Kontrasten, die die ganze emotionale Achterbahnfahrt des Gründens widerspiegelt. Für die Momente, in denen man Resilienz und pure Durchsetzungskraft braucht, wären da Songs wie z. B. „I'm still standing“ von Elton John. Aber genauso wichtig wären die Lieder für die leisen, nachdenklichen Phasen, in denen die kreativen Ideen erst entstehen – vielleicht etwas von Florence & The Machine.
Wie bereiten Sie sich auf einen wichtigen Termin vor?
Die Basis ist immer eine disziplinierte, strategische Vorbereitung: Was ist das Ziel? Was sind die Fakten? Was ist meine Kernbotschaft? Aber der entscheidende Schritt passiert kurz vorher, und der ist rein kreativ und menschlich. Ich nehme mir einen Moment, um aus der reinen Faktenebene herauszutreten. Ich frage mich: Welches Gefühl möchte ich bei meinem Gegenüber hinterlassen? Was ist die eine, menschliche Verbindung, die ich schaffen will? Ein guter Termin wird durch Fakten getragen, aber ein herausragender Termin wird durch die menschliche Verbindung entschieden.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Ganz klar: Gummibärenverkäuferin im Süßigkeitenladen. Die Motivation war damals rein eigennützig – unbegrenzter Zugang zur Ware! Wenn ich heute darüber nachdenke, war da vielleicht schon der Kern meiner heutigen Arbeit versteckt: Die tiefe Überzeugung, dass ein bisschen mehr Farbe, Spiel und Freude den Alltag – und die Arbeitswelt – einfach besser machen.
Larah Ciampa
Leap Street
https://www.leap-street.com/