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Arbeit & Soziales
01.08.2023

Fachkräftemangel – Generation 50+ kann Teil der Lösung sein

66 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen können offene Stellen längerfristig nicht besetzen, dabei gibt es berufserfahrene Fachkräfte reichlich.

Autor: Yani Neugebauer – Inhaberin Gründungszentrum 50Plus

Ein renommiertes Familienunternehmen in der Nahrungsmittelindustrie mit über 2.500 Mitarbeitern stand vor der Aufgabe, ein Magazin zu reorganisieren und auf die Digitalisierung vorzubereiten. Über mehrere Monate konnte der passende Kandidat für diese Aufgabe nicht gefunden werden. Das GRÜNDUNGSZENTRUM 50PLUS vermittelte innerhalb weniger Tage eine Expertin, die mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Einkauf, in der Warenwirtschaft und Buchhaltung für das Vorhaben „wie gemacht” war.

Einsatz von Solo-Selbstständigen

Natürlich klappt das „Matching” nicht immer, aber es könnte viel häufiger klappen, wenn die Unternehmen das Potenzial der Generation 50+ systematisch nutzten und durch eine vorübergehende Beauftragung von berufserfahrenen Experten kurzfristig und projektbezogen auf externes Wissen zurückgriffen.

Laut dem Personalpanel des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) setzen Unternehmen unter anderem auf Solo-Selbstständige, weil ihr zusätzlicher Personalbedarf zeitlich begrenzt ist, sie diesen mit Fremdpersonal schnell befriedigen können und zudem Zugang zu spezifischem Know-how erhalten, das ansonsten in der Belegschaft nicht vorhanden ist. Knapp die Hälfte der Unternehmen sieht den Einsatz von Solo-Selbstständigen zudem als Instrument an, mit dem sich wirtschaftliche Unsicherheiten einhegen und unternehmerische Risiken begrenzen lassen.

Dem Einsatz von Fremdpersonal stehen aber auch Hemmnisse entgegen. Insbesondere hohe Compliance-Anforderungen und rechtliche Unsicherheiten weisen darauf hin, „dass der Einsatz von Fremdpersonal häufig unter dem Damoklesschwert erfolgt, als missbräuchlich deklariert zu werden”, mahnt das IW-Gutachten mit Blick auf Scheinselbstständigkeit von freien Mitarbeitern.

Innovativer, flexibler, digitaler

Das IW hat auch untersucht, welchen ökonomischen Nutzen die Auftraggeber aus dem Einsatz von Fremdpersonal ziehen können. Danach wiesen Unternehmen, die 2021 Solo-Selbstständige einsetzten, optimistischere Ertragserwartungen auf als vergleichbare Unternehmen, die auf ihren Einsatz verzichtet hätten. Solo-Selbstständige leisteten darüber hinaus einen Beitrag zur Ergebnisverbesserung, spielten eine positive Rolle bei Produktinnovationen, gäben Impulse für eine Reorganisation von Abteilungen und Funktionsbereichen und wirkten als Katalysator für die digitale Transformation. Positive Erfahrungen hinsichtlich der schnellen Verfügbarkeit begünstigten eine Entscheidung über die Vergabe von Leistungen an Solo-Selbstständige.

Auch volkswirtschaftlich lässt sich der Nutzen von Solo-Selbstständigen belegen. In einer Untersuchung über die Bedeutung solo-selbstständiger Wissensarbeit für den Innovationsstandort Deutschland kommt das ifo-Institut zu dem Ergebnis, selbstständige Wissensarbeiter trügen durch den Transfer von Wissen maßgeblich zur Innovationskraft bei und schafften dadurch Wachstum. Dieses Potenzial werde in Deutschland aber nur unzureichend genutzt: Mit einem Anteil der selbstständigen Wissensarbeiter an allen Erwerbstätigen von 4,1 Prozent liege Deutschland im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld.

Attraktive, altersgerechte Arbeitsbedingungen erforderlich

Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten für die vorübergehende Beauftragung von berufserfahrenen Experten, um externes Knowhow nutzen und anstehende Aufgaben kurzfristig und flexibel lösen zu können. Ihr Einsatz bringt, das haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, messbaren Nutzen. Hindernisse für den Einsatz von Solo-Selbstständigen müssen – insbesondere soweit dafür politische Rahmenbedingungen ursächlich sind – aus dem Weg geräumt werden.

Was die Generation 50+ angeht, sei den Unternehmen folgender Hinweis des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) ins Stammbuch geschrieben: „Da immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte älter sind und weniger starke Geburtenjahrgänge am Arbeitsmarkt nachrücken, wird es immer wichtiger, ältere Beschäftigte länger in der Erwerbsarbeit zu halten und ihnen zielgruppen- und bedürfnisorientierte Angebote zu machen.” Attraktive, altersgerechte Arbeitsbedingungen wie eine höhere Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts, vermehrt Teilzeit, die Möglichkeit von Homeoffice und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie lassen sich nicht nur im Rahmen einer Festanstellung realisieren, sondern auch durch den Weg in die Selbstständigkeit.

Dieser Weg ist nicht für alle in der Generation 50+ der richtige, aber für manche. Viele sind ihn schon gegangen. Die Unternehmen sind gut beraten, ihr Wissen und ihre Erfahrungen für sich zu nutzen.

Gut zu wissen

  • Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland über 55 Jahre ist von 2013 bis 2020 von 4,8 auf 7,3 Millionen gestiegen
  • Zudem hat sich die Erwerbstätigenquote dieser Altersgruppe seit 2001 auf über 70 Prozent verdoppelt
  • Laut einer Forsa-Studie aus dem Jahr 2018 kann sich ein knappes Viertel der 50- bis 64-Jährigen „auf jeden Fall“ oder „vielleicht“ vorstellen, ein Unternehmen zu gründen
Yani Neugebauer

Yani Neugebauer

Inhaberin Gründungszentrum 50Plus, BVMW-Mitglied

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