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30.01.2023

Kann die Westbalkanregelung den Fachkräftemangel dämpfen?

Der BVMW-Experte für die Westbalkanregelung Herr Stefan Wings berichtet im Gespräch über die momentanen Hürden sowie sein Projekt Jobbörse vor Ort.

BVMW: Herr Wings, als BVMW-Repräsentant für Albanien und Kosovo sind Sie vor Ort in Tirana und damit auch in Kontakt mit Fachkräften, die über die Westbalkanregelung nach Deutschland reisen möchten. Können Sie aus Ihrer Perspektive sagen, vor welchen Herausforderungen diese Menschen durch die derzeitige Regelung stehen?

Herr Wings: Seit dem 01.03.2020 sind neue Regelungen für die Westbalkanregelung in Kraft getreten, welche mit der Intention beschlossen wurden, die Einreise für Fachkräfte einfacher zu gestalten. In vielen Hinsichten hat es den Prozess jedoch nicht erleichtert. Was zur Zeit die größte Herausforderung darstellt, ist die Terminvergabe selbst. Durch ein Losverfahren wird entschieden, an wen ein Termin zur Beantragung eines Visums gegeben wird. Dieses Verfahren stellt im Moment das Kernproblem der Regelung dar, da es in der Praxis keine Funktionalität beweist und für die Bewerber ein extrem zeitintensives Vorhaben ist.

Im Vergleich zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, bei welchem der Arbeitgeber in Deutschland Kontakt zu der Botschaft aufnehmen muss und innerhalb von zwei bis drei Monaten einen neuen Mitarbeiter einstellen kann, stehen die Wartezeiten für die Westbalkanregelung in keinem Verhältnis.

BVMW: Wie kann der BVMW Unternehmen konkret bei den bürokratischen Hürden und mit der Gewinnung neuer Fachkräfte unterstützen?

Herr Wings: Dieses Jahr haben wir die erste Jobbörse vor Ort in Tirana durchgeführt, mit dem Ziel, ausgebildete Fachkräfte, die ihre berufliche Zukunft in Deutschland sehen, über die beruflichen Möglichkeiten zu informieren. Die Jobmesse hat zum Ziel, Interessenten über die Vorteile des deutschen Arbeitsmarktes aufzuklären und zu informieren.

BVMW-Mitglieder können auch ihre konkreten Anliegen bezüglich Fachkräfte äußern. Der BVMW kann wiederum Kontakt zu den Botschaften aufnehmen, um somit den kleinen und mittelständischen Unternehmen viele bürokratische Hürden zu nehmen.

BVMW: Wie bewerten Sie das Projekt Jobbörse in der Retrospektive?

Herr Wings: Wir konnten nach der ersten Veranstaltung einen Eingang von 200 Bewerbungen verzeichnen. Mit den Bewerberinnen und Bewerbern sind wir im konstanten Kontakt, sowie auch mit den Arbeitgebern in Deutschland. Hierbei sind wir in der Rolle der Vermittlung und tauschen uns mit dem Arbeitgeber sowie dem potentiellen Arbeitnehmer über mögliche Anstellungsverhältnisse aus. Wenn es eine passende Stelle gibt, wird der Bewerber oder die Bewerberin zum Probearbeiten nach Deutschland eingeladen, was aber in deutlicher Mehrheit in einer Einstellung endet.

BVMW: Kann das Problem des Fachkräftemangels in Deutschland über die Westbalkanregelung (teils) gelöst werden?

Herr Wings: Die Westbalkanregelung kann definitiv einen Teil zur Lösung des Problems beitragen. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Anzahl der Personen, welche in der Balkan-Region leben, besonders im albanisch-sprechendem Raum, begrenzt ist. Es wird daher nicht möglich sein, allein über diese Regelung den Fachkräftemangel in Deutschland zu beheben.

Es kann aber, bei einer Veränderung der momentanen Regelung, noch mehr qualifizierte und motivierte Fachkräfte nach Deutschland bringen, als es zur Zeit der Fall ist. Aufgrund jahrzehntelanger Einwanderung der Menschen aus dieser Region ist es einfacher, sie auf fachlichem, kulturellem, sowie sprachlichem Level zu integrieren.

Bevor über die Idee einer Ausdehnung der Regelung auf andere Länder gesprochen wird, in denen es möglicherweise noch schwieriger ist, ausländische Berufsabschlüsse in Deutschland anerkennen zu lassen, sollte die Änderung des Losverfahrens der Westbalkanregelung Priorität haben.

stefan wings

Stefan Wings

Repräsentant Albanien/Kosovo

Rruga Kajo Karafili 27

Tirana

Albanien

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