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Welche Rolle spielen in diesem Kontext Bildungssystem, Ausbildung? Welche Lösungen bieten sich hier zur Verbesserung der Unternehmenslage an?
Nach einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sehen mehr als 50 Prozent der Unternehmen im Fachkräftemangel die größte Gefahr für ihre weitere geschäftliche Entwicklung. Dieses elementare Entwicklungshemmnis hat stark an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2010 stuften nur 16 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko ein. Dies zeigt sich unter anderem in der Anzahl offener Stellen, im September 2022 waren über 800.000 Arbeitsstellen unbesetzt.
In den kommenden Jahren werden weitere Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen. Hauptursache dafür ist der demografische Wandel. Über 12,9 Millionen Erwerbstätige werden in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen, das sind 30 Prozent aller Beschäftigten. Welche Maßnahmen können kurz – beziehungsweise mittelfristig helfen? Die Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung der dualen Berufsausbildung muss weiter gestärkt werden. Rund 720.000 Schüler haben 2021 die verschiedenen Schulformen mit einem Abschluss verlassen. Über 450.000 neue Ausbildungsverträge wurden in diesem Zeitraum geschlossen. Doch 5,9 Prozent der Schüler verlassen das Schulsystem ohne Abschluss. Maßnahmen wie Einstiegsqualifizierung und berufsvorbereitendes Jahr müssen weiter ausgebaut werden mit dem Ziel, die Ausbildungsreife zu erreichen, um eine anschließende Berufsausbildung zu absolvieren.
Die Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung der dualen Berufsausbildung muss weiter gestärkt werden.
Insbesondere bei Schülern mit Allgemeiner Hochschulreife sollte die Berufsorientierung eine stärkere Rolle spielen, in der Regel erfolgt die Fokussierung auf einen akademischen Bildungsweg. Rund ein Viertel aller Studierenden verlässt die Hochschule jedoch ohne Abschluss. Eine frühzeitige Berufsorientierung könnte alternative Bildungs- und Karrierewege zum Studium aufzeigen. Der Arbeitsmarkt benötigt beides: Facharbeiter und Akademiker. Jeder sollte nach seinen Möglichkeiten entsprechend die gleichen Chancen erhalten – unter Berücksichtigung des Leistungsprinzips. Grundsätzlich muss Deutschland wieder Bildungsland werden; die angemessene personelle, räumliche sowie technische Ausstattung sollte für jede Schulform oberste Priorität haben und von allen Entscheidungsträgern entschlossen umgesetzt werden. Unterrichtsausfall sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein. Gut unterrichtete Schüler sind in der Regel auch gute Auszubildende und spätere Fachkräfte. Neben der Unterrichtsorganisation zählt unter anderem bei den berufsbildenden Schulen eine wohnortnahe Beschulung gerade im ländlichen Raum zu den Erfolgsfaktoren. Es geht darum, die Schulbildung zu stärken und frühzeitig Entwicklungswege aufzuzeigen, um Ausbildungs- und Studienabbrüche zu vermeiden.
Neben der Ausbildung gibt es Potenzial in der Weiterbildung/Qualifizierung. Grundsätzlich müssen die gesetzten Rahmenbedingungen das Prinzip „Fördern und Fordern“ für alle erwerbsfähigen Personen noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Mit passgenauen Weiterbildungsangeboten unterstützen die Anbieter von Bildungsmaßnahmen den Transformationsprozess der mitgebrachten Qualifikationen des Einzelnen an die zukünftigen Bedürfnisse der Arbeitswelt. Hier ist auf eine ausreichende Finanzierung der angebotenen Maßnahmen zu achten, Qualität geht vor Quantität. Die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt sollte ein Qualitätskriterium sein. Hilfreich ist die Zusammenarbeit der Weiterbildungsdienstleister mit verschiedenen Arbeitsmarktakteuren und Unternehmen in den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Weiterbildungsverbünden. Im Weiterbildungsverbund Thüringen dokumentieren Weiterbildungsberater ihre Beratungsgespräche mit Unternehmen und werten die Gesprächsergebnisse im Verbund aus. Dadurch werden aktuelle Trends bei Bedarf der Unternehmen noch deutlicher, was Inhalte und Form benötigter Weiterbildungen betrifft. Teilqualifizierungen und modulare Weiterbildungen können dazu beitragen, notwendige Qualifizierungen neuer Mitarbeiter mit möglichst geringem Zeitaufwand durchzuführen.
Die TEAG-Gruppe bietet im Rahmen der innerbetrieblichen Ausbildung beispielsweise die Weiterqualifizierung zum Netzexperten in der Energieversorgung an. Ziel ist es, branchenfremden Interessierten Entwicklungswege für zukünftige Tätigkeiten im Strom- und Gasnetz aufzuzeigen und neue Zielgruppen zu erschließen. Grundlage bildet eine betriebliche Umschulung als fachliche Basis, weitere benötigte Fachkenntnisse werden im Rahmen eines individuell erstellten unternehmensinternen Durchlaufplans vermittelt.
Insgesamt ist es wichtig, die Qualifizierung von Mitarbeitenden auch in dieser krisenhaften Zeit nicht zu vernachlässigen, sondern gegenüber den Beschäftigten die Wertschätzung ihrer Arbeit über bedarfsorientierte Weiterbildungen zu unterstreichen und aktuelles Fachwissen im Unternehmen zu halten. Letztlich ist dies ein großes Stück Zukunftssicherung des Unternehmens.