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22.04.2024

PI-Studie zeigt Nachhaltigkeitschancen und -risiken für den Mittelstand auf

Eine erneute Studie von Positive Impacts (PI) bestätigt, dass ein konsistentes Nachhaltigkeitsmanagement wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen bringt.

Autor: Martin Viehöver

Was kann der Mittelstand von den 100 größten Unternehmen in Deutschland für ihr Nachhaltigkeitsmanagement lernen? In aller Kürze: Für ein wertschaffendes Nachhaltigkeitsmanagement bedarf es einer klaren strategischen Ambition, sowie eines darauf ausgerichteten Managementansatzes, mit „nur Compliance“ sind dagegen finanzielle Risiken verbunden.

Die genannten Erkenntnisse hat PI in einer umfangreichen Studie gewonnen, deren Ergebnisse durch eine Analyse der längerfristigen Effekte bestätigt wurden. Hierbei wurde die Kernfrage untersucht, ab wann ein Nachhaltigkeitsengagement wirtschaftliche Vorteile bringt oder finanzielle Bürde ist. Hierzu hat PI zunächst separate Kriterien für die Performancebewertung sowie für die Bewertung des Managementansatzes zu Nachhaltigkeit entwickelt.

Die abschließende Bewertung des Managementansatzes kann in fünf aufeinander aufbauenden strategischen Ambitionen münden, wie Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie integriert wird:

  • Regulierungsorientiert – mit Fokus auf die Bewältigung von regulatorischen Risiken, z. B., ein Vergaserhersteller, der das Verbrenner-Aus im Blick hat
  • Anspruchsgruppenorientiert – mit Fokus auf die Bewältigung von Reputationsrisiken, z. B., wenn PRADA auf angemessene Entlohnung in der Lieferkette achtet
  • Pragmatisch – mit Fokus auf die Steigerung der Produktivität, z. B., wenn PRIMARK über die Vermeidung von Abfall Kosten reduziert
  • Strategisch – mit Fokus auf die Umsatzsteigerung mittels nachhaltiger Produkte, z. B., wenn ZF Getriebe für Windräder verkauft
  • Nachhaltigkeitsgetrieben – als Markenversprechen, dass jedes Produkt so nachhaltig wie möglich ist, z. B., wenn Patagonia dafür wirbt dessen Jacke nicht zu kaufen, da es nachhaltiger sei, die alte zu reparieren und der Umsatz um 15 % p. a. steigt.
PI-Ambitions-Level-Konzept

Positive Impacts

Abbildung 1: PI-Ambitions-Level-Konzept

Wie die Grafik verdeutlicht, bauen die fünf Ambitionen aufeinander auf. Eine höhere Ambition bedeutet damit einen höheren Grad der Integration von Nachhaltigkeit in die Prozesse des Unternehmens. Diesen Umstand hat PI durch die Definition eines plausiblen Managementansatzes für jede Ambition in 40 Managementfragen Rechnung getragen. Auf Basis dieser innovativen Bewertungsmethodik konnte ermittelt werden, ob der Nachhaltigkeits-Managementansatz eines Unternehmens zu dessen strategischen Ambition passt, sowie ob Anspruch und Wirklichkeit beim Nachhaltigkeitsmanagement übereinstimmen. Interessanterweise korrelierte die gemessene Konsistenz am stärksten mit dem Gewinn der Unternehmen – je konsistenter, desto höher der Gewinn und je inkonsistenter, desto niedriger der Gewinn. Dieser Zusammenhang war unabhängig von Unternehmensgröße, Sektor, Jahr – und selbst die Finanzperformance des Vorjahres spielte bei der Korrelation keine Rolle! Aufgrund des mangelnden Einflusses der Unternehmensgröße sind die Erkenntnisse auch für den Mittelstand lehrreich: Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg ist demnach ein konsistenter und ein auf eine höhere strategische Ambition ausgerichteter Managementansatz (Pragmatisch oder Strategisch). Vor allem inkonsistente, „irgendwie compliant“-Ansätze, aber auch Ansätze mit einer niedrigen Ambition führen nur zu Kosten und somit zu einem wirtschaftlichen Nachteil. Eine vermeintlich kostengünstige Lösung birgt also Risiken, die man vermeiden kann.

Die Analyse der Finanzperformance der 20 besten und 20 schlechtesten Unternehmen der Stichprobe bestätigten nun diese Ergebnisse: Besonders die Konsistenz bzw. Inkonsistenz des Managementansatzes führte zu einer deutlichen Über- bzw. Unter-Performance beim Gewinn der Unternehmen. Zweitwichtigstes Kriterium war die strategische Ambition, die den Umfang und die strategische Zielrichtung des Nachhaltigkeitsmanagement beschreibt (s.o.). Je höher diese war, desto wirtschaftlich erfolgreicher waren die Unternehmen – und umgekehrt. Auch die operative Nachhaltigkeitsperformance hatte einen leicht positiven Einfluss.

Für die Nachhaltigkeitsperformance wurde eine neue Kennzahl definiert: der Gesellschaftliche Ertrag. Dieser teilt die Summe der entlang der Wertschöpfungskette gezahlten Steuern, zuzüglich positiver Externalitäten, abzüglich erhaltener Subventionen und negativer Externalitäten durch den Umsatz. Wenn dieser Wert über Null liegt, wird von einem „netto-positiven“ Unternehmen gesprochen, was bei 20 Unternehmen in der Studie der Fall war. Diese „netto-positiven“ Unternehmen wiesen eine wirtschaftlich leicht überdurchschnittliche Performance auf. Das heißt, eine rein auf die Nachhaltigkeitsperformance ausgerichtete Strategie hätte also zumindest nicht zu einem wirtschaftlichen Nachteil geführt. PI erwartet jedoch, dass künftig die Nachhaltigkeitsperformance deutlich an Bedeutung gewinnen wird, da diese durch den Regulator und Konsumenten vermehrt honoriert werden wird.

Vergleich der finanziellen Performance der besten und schlechtesten 20 Unternehmen nach strategischer Ambition und Konsistenz des Managementansatzes

Positive Impacts

Abbildung 2: Vergleich der finanziellen Performance der besten und schlechtesten 20 Unternehmen nach strategischer Ambition und Konsistenz des Managementansatzes

Die Studienergebnisse helfen damit auch mittelständischen Unternehmen, ihr Nachhaltigkeitsmanagement gewinnbringend aufzusetzen – auch und gerade, wenn sie unter die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen und berichtspflichtig werden. Denn die CSRD ist erfreulicherweise, wie ihr Vorgänger, eine reine Transparenzrichtlinie, ohne wesentliche Managementvorgaben. Darin liegt jedoch auch die große Versuchung des Mittelstands, die CSRD-Anforderungen als reine „Compliance-Übung“ anzugehen –so wie es die 20 schlechtesten Unternehmen in der PI-Studie gemacht haben. Für die Finanzperformance wäre es besser, mit einem konsistenten Management Nachhaltigkeitschancen zielgerichtet für sich zu nutzen und Risiken zu vermeiden.

Um eine Metapher zu nutzen: „Nachhaltigkeit managen“ ist vergleichbar mit einer Wandertour. Die EU verlangt von großen Unternehmen bereits seit 2017 einen Bericht über die „Wanderung“, ohne zu fragen, ob sie überhaupt wandern möchten. Eine mögliche Reaktion darauf war: die Marketingabteilung macht einen dokumentierten Wochenendausflug in die Berge (sinnbildlich für eine dokumentierte, also nachprüfbare vermeintliche Verpflichtung) – operativ ändert sich aber nichts. Bei anderen Unternehmen dagegen war ein Teil der Belegschaft tatsächlich auf „Wandertour“, jedoch waren sie entweder nicht in die gleiche Richtung unterwegs oder die Aktivitäten und die Ausrüstung der Belegschaft passten nicht zur vermeintlichen Ambition.

Daher ist es auch für den Mittelstand unverzichtbar, das Nachhaltigkeitsmanagement so aufzusetzen, dass Ambition und Managementansatz zusammenpassen, denn die Ambition bleibt eine höchst individuelle Unternehmensentscheidung. Erst wenn das Top-Management weiß, wohin die Wandertour gehen soll und warum man Wandern geht, kann nicht nur Konsistenz, sondern auch Kohärenz sichergestellt werden. Und vor allem: nur so können finanzielle Werte geschaffen werden, anstatt sie zu vernichten.

Wenn Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichtspflicht als eine reine Compliance-Übung missverstehen, riskieren sie einen wirtschaftlichen Schaden. Je eher Nachhaltigkeit als strategische Fragestellung begriffen wird, desto eher besteht die Chance, einen wirtschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen. Nur, wenn Klarheit über die strategische Ambition besteht und der Managementansatz auf diesen ausgerichtet wird, kommt die Belegschaft auch gemeinsam zum Ziel. Andernfalls laufen die Mitarbeiter in unterschiedliche Himmelsrichtungen, oder bleiben sitzen. Dann verkommt das Nachhaltigkeitsmanagement zu einer reinen Compliance- und Marketingübung – ohne Mehrwert.

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