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14.11.2019

Eigene AGB führen bei Vergabeverfahren nicht zwingend zum Ausschluss

Bislang galt: Wer in einem öffentlichen Vergabeverfahren eigene AGB vorlegt, wird vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Hieran hält der Bundesgerichtshof nun nicht mehr fest.

Autor: Dr. Oliver Esch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht, Esch Bahner Lisch Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Gemäß einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2019 (BGH, Urteil vom 18. Juni 2019, X ZR 86/17) wurde festgelegt, dass sogenannte Abwehrklauseln in den Vergabeunterlagen, also Klauseln, die anordnen, dass abweichende Vertragsbedingungen eines Bieters keine Anwendung finden, einem Ausschluss grundsätzlich entgegenstehen. Selbst ohne derartige Abwehrklauseln soll ein Angebotsausschluss jedenfalls dann ausscheiden, wenn ohne die bieterseitigen Bedingungen noch ein wertungsfähiges Angebot vorliegt.

Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem ein öffentlicher Auftraggeber Tief- und Straßenbauarbeiten EU-weit nach VOB/A ausgeschrieben hatte. Zu den Vergabeunterlagen des öffentlichen Auftraggebers gehörten auch die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ZVB). Deren § 8.2.a) bestimmt: „Die Schlusszahlung erfolgt innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Abnahme und Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung. …“. Die Vergabeunterlagen enthielten darüber hinaus eine Regelung, wonach Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen des Auftragnehmers nicht Vertragsbestandteil werden, also eine sogenannte „Abwehrklausel“. Der Bieter und spätere Kläger (Anm.: dem Verfahren lag eine Schadensersatzklage zugrunde) hatte sein Angebot im Rahmen des eingereichten Kurztext-Leistungsverzeichnisses mit dem Hinweis: „Zusatz … zahlbar bei Rechnungserhalt ohne Abzug“ versehen. Der öffentliche Auftraggeber hatte das Angebot daraufhin mit der Begründung ausgeschlossen, dass durch das Einfügen der bietereigenen Zahlungsklausel Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden seien, wodurch ein Ausschlussgrund verwirkt sei. Entgegen der Vorinstanz, die dies – der bis dato üblichen Spruchpraxis der Gerichte und Vergabekammern entsprechend – bestätigte, sah der BGH dies in der Revisionsinstanz anders.

Er stellte fest (Leitsätze der Entscheidung):

  1. Gibt der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vor, dass Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers nicht Vertragsbestandteil werden, und stellt ein Bieter mit seinem Angebot abweichende Bedingungen, können diese infolge der Abwehrklausel des Auftraggebers im Falle der Auftragserteilung keine rechtliche Wirkung entfalten. Ein Ausschluss des Angebots wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen ist deshalb nicht erforderlich und auch nicht zulässig.
  2. Auch ohne das Vorliegen einer Abwehrklausel kann ein Angebot, dem der Bieter eigene Vertragsbedingungen beigefügt hat, in der Wertung verbleiben, wenn nach bloßer Streichung des Hinzugefügten ein dem maßgeblichen Inhalt der Vergabeunterlagen vollständig entsprechendes Angebot vorliegt.

Nach Auffassung des BGH ist die vom Auftraggeber vorgesehene Regelung im Lichte der Neuregelungen seit der Neufassung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen im Jahre 2009 zu sehen. Diese dienten dazu, den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur formalen Gründen zu verhindern. Die vom Auftraggeber vorgesehene Klausel habe Abwehrcharakter und ziele darauf ab, den Ausschluss von Angeboten, denen der Bieter eigene Vertragsklauseln, insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), beigefügt hat, zu verhindern. Nach Ansicht des BGH liege die Annahme fern, dass ein Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Bestimmungen wie etwa die Allgemeinen, Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen ersetzen oder abändern dürfe.

Sofern ein Bieter seinem Angebot in einem solchen Verfahren gleichwohl eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen beifügt, deute das auf ein Missverständnis der Bindungen des öffentlichen Auftraggebers bei der öffentlichen Auftragsvergabe hin. Wäre dem Bieter dies bewusst gewesen wäre, hätte er dem voraussichtlich von vornherein Rechnung getragen. Zudem sei die Abwehrklausel für beide Seiten bindend, weshalb nicht die Gefahr bestehe, dass sich der Auftragnehmer später auf seine abweichenden Bedingungen berufen könne.

Der BGH führte zudem weiter aus, dass der öffentliche Auftraggeber auch ohne die (Abwehr-) Klausel das Angebot hätte aufklären können bzw. müssen. Ein Ausschluss ohne entsprechende Aufklärung wäre dementsprechend nicht zulässig. Denn wenn der Bieter nach Aufklärung von seinen eigenen AGB Abstand nimmt, läge wiederum ein wertungsfähiges Angebot vor. Das unterscheide entsprechende Gestaltungen von manipulativen Abweichungen von den Vergabeunterlagen.

Ungeachtet der neuen BGH-Rechtsprechung ist nach wie vor dringend zu empfehlen, von einem Beifügen eigener AGB in öffentlichen Vergabeverfahren abzusehen. Es bestehen nun allerdings unter Umständen gute Argumentationsmöglichkeiten für den Fall, dass dies irrtümlich erfolgt ist. Der Bieter muss auf Nachfrage allerdings hier die richtigen Antworten geben.

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