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13.11.2023

Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)

Kein Steuersparmodell im Mittelstand

Autor: Dr. Sebastian Krauß

Die EWIV ist mit Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) entstanden und wird auf deutscher Seite durch das EWIV-Ausführungsgesetz (EWIV-AG) begleitet. Gemäß § 1 EWIV-AG gilt die EWIV als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs; es finden die für eine offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

Die EWIV ist eine besondere supranationale Rechtsform, die es Unternehmern ermöglicht, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, ohne diese Zusammenarbeit dem nationalen Recht eines der beteiligten Länder zu unterwerfen. Insoweit soll sie zu einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens in der EU und der Schaffung eines einheitlichen Marktes beitragen.

Der Zweck der EWIV besteht allein darin, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder, die im Übrigen aus mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten stammen müssen, zu erleichtern oder zu entwickeln, um es ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Ergebnisse zu steigern. Insoweit ist die EWIV lediglich als Hilfsinstrument für eine grenzüberschreitende Kooperation ihrer Mitglieder konzipiert (z. B. gemeinsame Vertriebsbüros, Einkaufsverbund, Personalaustausch, gemeinsame Weiterbildung, Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung, bei der Abwicklung von Transporten oder bei der Werbung). Sie hat nicht den Zweck, Gewinn zu erzielen, sondern lediglich Aufwendungen ihrer Mitglieder zu reduzieren. Die Mitglieder haften für Verbindlichkeiten der EWIV unbeschränkt und gesamtschuldnerisch.

In dem typischen Anwendungsfall der EWIV wird diese also nicht gewerblich tätig. Die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sind unmittelbar den Mitgliedern zuzuordnen und auf deren Ebene zu besteuern.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine EWIV – z. B. bei einer Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe – gewerbliche Projekte durchführt, bei den die Gewinnerzielungsabsicht zumindest Nebenzweck ist. In diesen Fällen kann auch eine EWIV eine gewerbliche Mitunternehmerschaft begründen, deren Einkünfte auf die Mitglieder im Rahmen einer Feststellungserklärung zugewiesen werden. Bei der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 S. 4 GewStG) gelten die Mitglieder der EWIV als Gesamtschuldner.

In ihrer Grundkonzeption eignet sich die EWIV nicht, um Steuern zu sparen. Betriebseinnahmen und -ausgaben der EWIV schlagen sich direkt auf die steuerliche Ebene der Mitglieder durch. Insoweit vermittelt nur die betrieblich veranlasste Mittelverwendung auf Ebene der EWIV den Mitgliedern eine Betriebsausgabe. Die schlichte Kapitaleinzahlung in eine EWIV stellt eine reine Gewinnverwendung dar und kann mithin keine Betriebsausgabe begründen. Auch auf der Einnahmenseite ergibt sich kein Vorteil: Einnahmen der EWIV werden den Mitgliedern direkt zugeordnet und besteuert.

Die Verortung einer EWIV im deutschen Steuerrecht ist sehr lose und wird weder durch Rechtsprechung noch Verwaltungsanweisungen hinreichend konkretisiert. Hieraus können gleichermaßen Chancen und Risiken abgeleitet werden. Als Chance kann beispielsweise begriffen werden, wie die Verlagerung von Einnahmen eines Mitglieds aus einem Niedrigsteuerland über eine EWIV auf ein Mitglied in einem Hochsteuerland steuerlich zu würdigen ist. Als Risiko muss zweifelsfrei gesehen werden, dass sämtliche Transaktionen, die unter Einbindung einer EWIV getätigt werden, einer kritischen Prüfung der Finanzverwaltung standhalten müssen. Hier ist nicht nur zu erwarten, dass die Finanzbehörden sehr restriktiv verfahren, sondern in Zweifelsfällen – zum Beispiel bei einer begehrten Rücklagenbildung mit Steuerstundungseffekt – einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten annehmen. Im Streitfall bleibt nur der Gang vors Gericht – mit oft vorher unbekanntem Ausgang.

Aufgrund der vorgenannten Unwägbarkeiten ist die steuergetriebene Einbindung einer EWIV in die Struktur mittelständischer Unternehmen nicht zweckmäßig: Es besteht hohe Rechtsunsicherheit, die Finanzverwaltung wird Gestaltungsmaßnahmen restriktiv entscheiden und im Streitfall ist mit langwierigen und kostspieligen Verfahren zu rechnen.

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