Maschinenbau-Ingeneurinnen

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Unternehmertum
01.02.2024

Die Mutmacherin aus Marzahn

Seit zwei Jahren ist die 36-jährige Carlotta Baumann Geschäftsführerin von Finetech in Berlin-Marzahn. Sie möchte jungen Frauen Mut machen, ihrem Beispiel zu folgen.

Autorin: Anna Maria Wetzig

Mittelstand.: Sie haben Elektrotechnik studiert. Was hat Sie zur Wahl Ihres Studienfachs inspiriert?

Carlotta Baumann: Schon als junges Mädchen habe ich gern gebastelt. Vorbild für mich war mein Vater. Er hat Maschinenbau studiert und sich direkt nach dem Studium selbstständig gemacht. Mein Interesse an Tech-Themen verdanke ich ganz sicher ihm. Als meine Eltern nach meinem Abitur dann wissen wollten, was ich studieren möchte, sagte ich spontan Elektrotechnik. Die Entscheidung habe ich nie bereut.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hürden, weshalb sich vorwiegend Männer und nur etwa 30 Prozent Frauen für ein Studium im MINT-Bereich entscheiden?
Vorweg möchte ich klar sagen, dass für mich Frauen mindestens ebenso begabt für MINT-Fächer sind wie Männer. Warum es trotzdem weniger Frauen in den MINT-Fächern gibt, liegt aus meiner Sicht vor allem daran, dass Mädchen in der Schule oft weniger gefördert werden. Vielen fehlt das nötige Selbstvertrauen, sich für ein MINT-Fach zu entscheiden. Auch das gesellschaftliche Ansehen spielt eine Rolle. Es fehlen Vorbilder von erfolgreichen Frauen in MINT-Berufen.

Laut dem Institut für Mittelstandsforschung steht bundesweit etwa 190.000 mittelständischen Unternehmen bis 2026 eine Nachfolge bevor. Das Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt wird den bestehenden Fachkräftemangel weiter anheizen. Sie selbst haben seit 2021 erstmals in der Geschichte Ihres Unternehmens als Frau die Geschäftsleitung inne. Welches Feedback haben Sie sowohl von Ihren Kunden als auch von Ihren Mitarbeitenden in dieser neuen Position erhalten?
Ich war ja bereits Inhaberin, kannte also die Abläufe, wenn auch noch nicht alles im Detail. Ich übernahm ein gut funktionierendes Unternehmen. Dennoch habe ich natürlich meinen eigenen Stil und meine eigenen Vorstellungen, wohin wir uns als Finetech entwickeln wollen. Das bedeutet für mich vor allem im Unternehmen offene Kommunikation und flache Hierarchien. Mein Vertrauen in alle Mitarbeitenden war schon immer sehr stark. Über deren positives Feedback habe ich mich sehr gefreut. Es bestätigt mich auf diesem Weg.

Sie sind der Ansicht, dass jeder und jede ein Unternehmen führen kann, unabhängig seiner oder ihrer Vorerfahrungen, so Ihre Aussage auf dem Podium unserer Auftaktveranstaltung „Frauen. Zukunft. Mittelstand.“ Was gibt Ihnen diese Zuversicht?
Ja, mein Credo klingt provokant. Aber was bedeutet Führung? Im Kern geht es doch darum, ein Gespür für Entwicklungen und neue Chancen zu haben und Mitarbeitende zu motivieren, diese Ziele zu erreichen. Dafür braucht es Vertrauen in ein Team, gute Leute um einen herum, Leidenschaft und geliehene Kompetenz für Dinge, die man selbst nicht beherrscht. Etwas vereinfacht, aber so kann jeder im Prinzip eine Firma führen.

Die Vorbereitungsphase zur Übergabe eines Unternehmens entscheidet oft über das Scheitern oder Gelingen der Unternehmensnachfolge. Wurden Sie in Ihrem Übergabeprozess begleitet? Was nehmen Sie aus der Zeit mit?
Ich selbst hatte keine lange Einarbeitungszeit. Allerdings hat mich meine Familie sehr unterstützt und beraten. Grundsätzlich aber denke ich, es ist einfacher, wenn man nicht so lange parallel arbeitet. Eine klare Übergabe macht es auch für die Mitarbeitenden unkomplizierter.

Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer stellt die Unternehmensnachfolge keine Alternative zum eigenen Gründen dar. Welche Vorteile bringt aus Ihrer Sicht eine Nachfolge mit sich?
Reizvoll war der Gedanke zu gründen auch für mich. Aber ernsthaft damit beschäftigt habe ich mich nicht. Warum? Zum einen, weil ich das Unternehmen kenne und es unheimlich spannend finde. Zum anderen: Ein wenig Startup steckt ja jetzt mit meinen Vorstellungen vom Geschäft auch in Finetech. Sozusagen das Beste aus zwei Welten.

Inwieweit würden Sie zustimmen, dass die Förderung von Diversität einen Impact auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen hat? Können Sie einen Vergleich zu Ihrem eigenen Unternehmen ziehen?
Ganz sicher hilft Diversität Unternehmen. Nicht nur bei Innovationen. Für mich ist die Wertschätzung aller Mitarbeitenden, der gegenseitige Respekt ein entscheidender Grundwert unseres Unternehmens. Das hat viel mit meinem Verständnis von einer gerechten Gesellschaft zu tun.

Was raten Sie jungen Frauen, die derzeit zögern, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder zu führen?
Habt Mut. Traut Euch alles zu. Glaubt an Euch und Euer Wissen. Es gibt heute viele Beispiele von mutigen, starken Frauen, die erfolgreich gegründet haben. Sie zeigen, alles geht, wenn man an seine Idee glaubt und dafür brennt.

Welche Schritte sollte die Politik unternehmen, um optimale Weichenstellungen für Gründerinnen und Unternehmerinnen mit Blick auf Standortfaktoren, Bürokratie und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen?
Technische Themen und Projekte sollten verstärkt im Schulunterricht integriert werden. Wichtig ist, Schülerinnen zu begeistern und Lust auf Technik zu machen. Aber es braucht Vorbilder, Frauen und Männer, die zeigen, wie man auch ohne Hilfe der Politik Probleme löst und einen Mehrwert mit seiner Arbeit erzeugt.

Das Interview führte Anna Maria Wetzig, Referentin Public Affairs.

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Carlotta Baumann

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Carlotta Baumann, Jahrgang 1990, ist CEO von Finetech GmbH & Co. KG und Marting GmbH & Co. KG. Sie hat Elektrotechnik, mit Abschluss an der TU Berlin, im Bereich der Microsystemtechnik studiert. Seit ihrer Kindheit interessiert sie sich für Technik. Ihr Interesse führte sie unter anderem zu Ferienarbeit bei Siemens und zu Praktika bei dem Fraunhofer Institut sowie in China. Sie teilt gerne ihre Begeisterung und unterstützt das Interesse von Frauen in MINT-Berufen.

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