Deutsche Unternehmen zwischen Herausforderung und Zukunftschancen
Sylke Gall
Die Geschäftsführerin der Stapelfux GmbH und der Outlier Lab GmbH im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.
Wie sind Sie dazu gekommen, Unternehmerin/Führungskraft zu werden?
Es gab für mich nie ernsthaft eine andere Perspektive als die der Selbstständigkeit. Auch wenn ich es mal probiert habe: Mein erster Teenie-Job war in einer Eisdiele. Ich bediente meine Freunde, bevor sie sich auf den Weg zur nächsten Feier machten. Das hat mir natürlich gestunken, weil ich gerne dabei gewesen wäre.
Zu der Zeit wurde „Walking“ gerade populär. Ich bin zur Zeitung und habe veröffentlicht, dass ich nun einen Walking-Kurs einmal wöchentlich für eine Monatsgebühr anbiete. Plötzlich standen 40 laufwütige Menschen mit mir im Wald und wir sind gemeinsam einmal die Woche gewalkt. So konnte ich den Job in der Eisdiele an den Nagel hängen und mit den Freunden was unternehmen.
Es ist denke ich mein Naturell, Unternehmerin zu sein: Ich bin ein absoluter Ideen- und Lösungsmensch, das sehe ich im eigenen Unternehmen am besten aufgehoben.
Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen.
Ich war eine Learning-by-Doing-Selbstständige und bin so durch einige Tiefen gegangen, die rückblickend vollkommen unnötig waren, weil sie bereits zahlreiche andere Menschen vor mir durchlaufen haben. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich mir von Anfang an mindestens einen Mentor an die Seite holen. Ich hatte ein Umfeld voller Menschen, die einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen haben und ich war der Exot, der irgendwas mit Selbstständigkeit gemacht hat, die niemand verstanden hat. Zudem war ich einfach noch sehr jung. Da hätte mir jemand mit Erfahrung gut getan.
Welche Entscheidung würden Sie für sich als Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?
Es gab nicht die eine Entscheidung. Bei mir waren es immer die größten Herausforderungen, bei denen es anders gelaufen ist als gedacht. Da habe ich die letzten zwanzig Jahre einiges erlebt: Von Blendern und Blasenmachern, Karriere-Egos und Ellenbogen, die mich immer an die Grenzen gebracht haben – menschlich, mental oder beruflich, sie haben alles abverlangt. Daraus habe ich am meisten gelernt. Das hat mich nachhaltig geprägt. Daran bin ich gewachsen.
Wodurch erfahren Sie besondere Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Das sind drei Dinge. Zum einen ein erfolgreiches Ergebnis bei einem begeisterten Kunden – da geht mir das Herz auf. Zum anderen, wenn Kollegen und Fachkräfte einen Wert in meiner Arbeit sehen und mir das spiegeln. Das schätze ich sehr. Und zu guter Letzt: Mein Kind ist nun in dem Alter, in dem es aktiv mitbekommt, was ich mache. Von ihr ein positives Feedback zu bekommen, macht mich stolz. Das sind drei unterschiedliche Ebenen – jede berührt etwas anderes. Ob das besonders ist – ich denke nicht. Das brauche ich auch nicht. Ich stelle keine Baby-Beatmungsgeräte her oder kämpfe als Ärztin in Krisengebieten – da ist sicherlich besondere Wertschätzung angebracht.
Was war die größte Herausforderung, die Ihnen begegnet ist?
Gefühlt immer die, in der man zum ersten Mal drinsteckt, weil da noch nicht absehbar ist, ob und ab wann man drüber lachen kann.
Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv?
Der Markt hat sich verändert und wird es weiterhin. Dinge, die bislang gut funktioniert haben, tun es nicht mehr. Ich beschäftige mich aktuell sehr intensiv damit, was die kommenden fünf Jahre unternehmerisch passieren muss und das auf mehreren Ebenen:
Da hängen sehr viele Fragestellungen dran und ich habe noch nicht abschließend für alles eine Antwort. Hinzu kommen natürlich noch Themen wie KI – aber die verschleiern auch ein wenig die Brisanz der anderen Themen.
Welche Botschaft möchten Sie frisch gebackenen Unternehmerinnen oder Gründerinnen/Führungskräften mitgeben?
Als Unternehmer muss man sich an eine Sache gewöhnen: Von 10 Dingen scheitern 8. Halte Dich niemals mit den 8 auf, sondern gib vollen Fokus auf die 2, die funktionieren. Du musst schnell herausfinden, welches die zwei sind und dann konsequent auf die zwei setzen und dranbleiben.
Mit welchen wesentlichen Maßnahmen fördern Sie in Ihrem Unternehmen gezielt Female Empowerment und geben Ihren Mitarbeiterinnen Rückenwind?
Frauen werden bei uns nicht speziell gefördert, sie sind nicht schwächer als Männer. Bei uns werden alle Mitarbeiter gleich gefördert, vor allem aber auch gefordert. Die Herkunft oder das Geschlecht haben keinen Einfluss auf die Performance, das sind ganz andere Dinge. Wir stellen sehr ausgewählt ein, wir möchten nur Mitarbeiter und Partner mit einem Mindset, was zu uns passt. Wir sprechen intensiv mit unseren Leuten, beobachten sehr genau und sind in vielen gegenseitigen Feedback-Gesprächen. Das ermöglicht es dem Mitarbeiter und uns zu sehen, wo die Stärken und Verbesserungspotenziale sind. Wir stellen fachlich herausragende Menschen ein, die für etwas brennen. Fachlich mischen wir uns in die Arbeit nicht ein – der Mitarbeiter trifft alle Entscheidungen und übernimmt dafür die Verantwortung. Wir vertrauen jedem einzelnen. Wir fordern Ergebnisse und geben alles an Hilfestellung, was der Mitarbeiter dafür benötigt. Was wir nicht tun, ist ihn durch Mikromanagement und genauste Vorgaben klein zu halten.
Wir pflegen eine Lernkultur, in der jeder Mitarbeiter vom anderen etwas lernt – durch Jobrotation, Lernsessions und eine offene, klare, wertschätzende, ehrliche und ergebnisorientierte Kommunikation.
Wer hat Sie am meisten inspiriert und warum?
Mein jetziger Geschäftspartner. Es gibt viele, die von sich behaupten ein Growth Mindset zu haben. Er ist der erste, der es auch wirklich hat. Das zeigt sich in der täglichen Zusammenarbeit, im Umgang mit Herausforderungen, mit Mitarbeitern, Partnern und mit der Konsequenz, wie er Dinge umsetzt. Das ist sehr inspirierend, dafür bin ich sehr dankbar.
Womit schaffen Sie in Ihrer Freizeit einen Ausgleich zu Ihrem Arbeitsalltag?
Ich treibe viel Sport, bin viel draußen und unternehme gerne viel mit Familie und Freunden. Mir ist wichtig, gute Erlebnisse zu schaffen, das ist mir das Wichtigste im Leben. Darauf lege ich großen Wert. Zudem bin ich aus Leidenschaft Gastgeberin, ich liebe es, Gäste zu haben und zu bekochen.
Was haben Sie von Ihrem Team gelernt?
Zwei wesentliche Dinge:
Zum einen wie wir Deutschen in der internationalen Zusammenarbeit wahrgenommen werden und wie Kultur prägend ist. Ich habe einige Verhaltensweisen an mir, die kulturell geprägt sind, die für andere Kulturen Konfliktpotenzial beherbergen. Das sind Kleinigkeiten mit großer Wirkung – daran zu arbeiten ist spannend.
Zum anderen Konsequenz. Das war nie meine größte Stärke, aber das Team hat sie immer eingefordert, wenn ich nachlässig war. Das war gut. Sich gemeinsam zu entwickeln, ist eine wunderbare Sache – das schätze ich sehr an meinem Team.
Wie stehen Sie zum Thema Gendern?
Ich bin da keine Expertin und habe da mehr Meinung als Ahnung. Ich war lange Zeit dagegen und habe das für überflüssig gehalten. Heute sehe ich das differenzierter und habe durch andere und ihre Perspektiven dazugelernt. Aktuell denke ich, dass wir vielleicht diesen Schritt brauchen, um uns bestimmter Dinge bewusst zu werden. Mein Fokus lag schon immer auf Ergebnissen und dass man über Inhalte diskutiert. Ich habe aber gelernt, dass es nicht allen so geht und diesen Gedankenshift jeder nur auf seine Weise mitgehen kann. Gendern ist für viele ein solcher Schritt. Ich bin da nur nicht dogmatisch. Manchmal mache ich es, manchmal nicht. Ich gestehe das jedem zu, wie jeder mag. Mehr Toleranz bei diesem Thema würde uns gut stehen.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Ich wollte immer Erfinder werden. Daniel Düsentrieb war mein großes Vorbild: Ein Freigeist, der ständig etwas Neues entwickelt, voller Kreativität und Technik. Er ist immer wieder nach Niederlagen aufgestanden und hat sich nicht beirren lassen. Ein Charakter, der für sich steht.
Katharina Stapel
Stapelfux GmbH
https://stapelfux.de
Outlier Lab GmbH
https://outlierlab.io