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Unternehmertum
06.02.2023

Krisen meistern – Rezepte für Resilienz

Die während Corona prognostizierte Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Doch was zeichnet Mittelständler aus, die in der Krise besonders widerstandsfähig sind? Eine Studie klärt auf.

Autor: Bernd Ratmeyer, Journalist

Vor dem Hintergrund der Pandemie und mit Blick auf den Ukrainekrieg hat das RKW Kompetenzzentrum Mitte letzten Jahres eine Studie erstellt mit dem Titel „Deutschlands Mittelstand #2 – So meistern kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich Krisen“. Die Autoren befragten 667 besonders erfolgreiche und mit wichtigen Preisen ausgezeichnete Unternehmen. Mittels einer Textanalyse wurden sechs Faktoren identifiziert, die resiliente Unternehmen besonders auszeichnen:

  1. Bewusstsein für sich und die Umwelt,
  2. Elemente der Stabilität,
  3. Offenheit für Veränderung,
  4. Flexibilität förderndes Verhalten,
  5. Antrieb zu kontinuierlichem Wachstum und
  6. ausgeprägte Leistungsorientierung.

Kleine bewältigen Krisen anders als Große

Die Studie zeigt eine interessante Verteilung der Resilienzfaktoren – und zwar nach Größe der befragten KMU. Für kleine Unternehmen mit einer Betriebsgröße bis einschließlich zehn Millionen Euro Umsatz bedeutet Resilienz vor allem das Erkennen von Risiken, aber auch von Chancen, das beschreibt der Resilienzfaktor „Bewusstsein“. Zudem sind Agilität und Geschwindigkeit in der Anpassung an dynamische Marktumfelder von zentraler Bedeutung. Familiäre und flexible Führungsstrukturen sowie direkte Kommunikationswege erhöhen diese Agilität.

Kein Unternehmen will die komplette Disruption in Krisenzeiten durchlaufen, also müssen Prozesse vorher durchdacht und definiert sein.

Für mittelgroße Unternehmen mit elf Millionen bis einschließlich 50 Millionen Euro Umsatz spielt der Faktor „Stabilität“ die größte Rolle. Denn mehr Führungskräfte und höher diversifizierte Führungsebenen erfordern mehr einheitliche Normen. Der Verwaltungsbedarf für solche starreren Strukturen ist größer und geht zulasten der Flexibilität.

Größere Unternehmen, die einen Umsatz von mehr als 51 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften, nennen häufiger „Bewusstsein“ als Resilienzfaktor. Sie zeigen eine hohe Professionalisierung ihres Risiko- Managements; das ermöglicht es ihnen, das Wachstum auch in Krisenzeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Zugleich nimmt mit der Unternehmensgröße die Fähigkeit zur agilen Flexibilität und reaktionsschnellen Veränderung ab.

Zwischen „flinker Anpassung" und „Fels in der Brandung"

Offenbar gibt es keine Blaupause, die jedes KMU zur Krisenbewältigung heranziehen könnte, zu individuell sind die deutschen Mittelständler. Doch die Befragung zeigt, dass sich unterschiedliche Grade der Resilienz zwischen den Polen „sehr flexibel" und „Stabilität und Wachstumsorientiertheit" herausbilden.

Die Mitautorin der Studie und Referentin im Fachbereich Digitalisierung und Innovation des RKW, Ute Juschkus, sagt: „In der Tat kann man von einem Modell des Krisenmanagements reden, in dem die Balance aus Flexibilität und Stabilität wichtig ist. Das Umfeld der Unternehmen wird sich in Zukunft immer schneller verändern. Krisen auslösende Destabilisierung kann von außen kommen, wie Corona, aber auch unternehmensintern durch Innovationen und Änderungen im Geschäftsmodell ausgelöst werden. Um nicht zu sehr in den Krisenmodus zu geraten, ist es für Unternehmen daher wichtig, dass diese Dynamiken im Innern des Unternehmens wie auch im Außen gut zusammenpassen, sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt. Die Krise als neues Normal nennen wir das."

Die Krise lösen, bevor sie kommt

Um trotz äußerer Krisen nicht selbst ein Krisenunternehmen zu werden, spielen formalisierte Qualitätsstandards eine Rolle: die ISO Normen, etwa die ISO 9001 für Qualitätsmanagement. Christian Wewezow ist Geschäftsführer der Clockwise Consulting GmbH, Mitglied im Beirat „Unternehmensführung und Innovation" vom RKW Kompetenzzentrum und Mitglied im BVMW. Er weiß: „Sind Unternehmensprozesse erst mal definiert, kann man sie auch optimieren, um die Leistungserbringung zu steigern. Denn Unternehmen müssen stets Prozesse verschlanken und Kosten sparen. Kein Unternehmen will die komplette Disruption in Krisenzeiten durchlaufen, also müssen Prozesse vorher durchdacht und definiert sein, um die organisationale Resilienz zu erhöhen."

Die Rolle des Staates

Ein weiterer Faktor, so haben die vergangenen drei Jahre gezeigt, spielt im Krisenmanagement eine Rolle: der Staat. „Das Kurzarbeitergeld war eine sinnvolle Maßnahme, denn manch Mittelständler konnte so wertvolle Arbeitsplätze sichern", bilanziert Christian Wewezow. Doch die Krisenunterstützung durch Vater Staat kann zweischneidig sein: „Die Zeit der billigen Kredite ist vorbei, erhöhte Zinssätze können nun zum Problem für einige wenige Unternehmen werden. Unternehmer wünschen sich vom Staat nicht nur finanzielle Hilfen, sondern vor allem auch den Abbau von Bürokratie, denn es steigen die Gemeinkostenquoten, um eben die weiteren staatlichen Regularien umsetzen zu können. Zudem wird der Mittelstand hier weltweit mit am höchsten besteuert, das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit und schreckt Investoren ab."

Die Studie nennt interessante Faktoren, die die Unternehmensresilienz erhöhen. Dass Betriebe befragt wurden, die sich ohnehin durch hohe Leistung auszeichnen, verzerrt natürlich das Ergebnis. Dennoch kann diese Untersuchung allen deutschen Mittelständlern Anregungen geben.

Die RKW-Studie – „Deutschlands Mittelstand #2 – So meistern kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich Krisen“

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