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04.10.2022

„Übernehmende können sich auch übernehmen“

Welche Herausforderungen stellen sich bei einer Unternehmensnachfolge für die Übernehmenden? Eine Diskussionsrunde im BVMW-Expertenkreis hat dazu deren Blickwinkel eingenommen.

Der Mittelstand: Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die einen Nachfolger von einem Start-up-Unternehmer oder einem Angestellten unterscheiden?

Jeannette Peters: Unternehmer wollen vor allem etwas gestalten. Sie schätzen den Zugewinn an Verantwortung, Freiheit und Unabhängigkeit höher als den Verlust von Freizeit. Wer ein bestehendes Unternehmen übernimmt, muss allerdings in der Lage sein, eine Balance zu finden zwischen Bestandserhalt und dem Anspruch auf Veränderung.

Benno Packi: Weil durch Nachfolge in eine bestehende stabile Struktur investiert wird, erzielen Übernehmende nach einer Übergangszeit auch wieder mehr Stabilität als bei der Start-up-Gründung. Die Nachfolge ist damit für weniger risikofreudige Personen die bessere Alternative. Ein angestellter Interims-Manager übernimmt hingegen nahezu kein persönliches Risiko.

Holger Wassermann: Nachfolgerinnen und Nachfolger kommen typischerweise aus angestellten Führungspositionen und sind mit Ende 30/Mitte 40 deutlich älter als die Start-up-Szene. Leider richten sich die bestehenden Förderprogramme für Existenzgründungen unterschiedslos an diese beiden unterschiedlichen Gruppen.

Der Mittelstand: Bedarf es denn unbedingt einer staatlichen Förderung? Vielleicht sind moderne Finanzierungsangebote wie Crowd-Funding auch eine Lösung für die Kaufpreisfinanzierung?

Benno Packi: Von Crowd-Funding rate ich dringend ab! Dabei können unzählige Kleinstinvestoren das Management schikanieren.

Holger Wassermann: Die Einbeziehung einer in allen Bundesländern bestehenden Bürgschaftsbank und der angegliederten Beteiligungsgesellschaft ist meist der entscheidende erste Dominostein für eine Kreditzusage von der Hausbank.

Der Mittelstand: Bevor über Kaufpreis und Finanzierung verhandelt wird, muss man erst einmal ein passendes Unternehmen zur Übernahme finden. Worauf ist dabei zu achten und wer kann helfen?

Jeannette Peters: Für die Suche nach dem „objektiv“ passenden Unternehmen sollte man sich an professionelle M&A-Berater wenden. Leider erlebe ich dennoch häufig geplatzte Notartermine, weil Käufer und Verkäufer füreinander keine „subjektive“ Sensibilität entwickelt haben. Als externer Nachfolge-Coach besteht die Aufgabe darin, dieses gegenseitige Verständnis zu entwickeln und zudem darauf zu achten, dass sich vor allem Nachfolger nicht übernehmen und die Komplexität einer Unternehmensfortführung unterschätzen.

Holger Wassermann: Mittlerweile treffen wir auf der Käuferseite oft auf die unsinnige Vorstellung eines kostenlosen Einstiegs ohne Eigenkapital mit der überzogenen Begründung: „Es gibt mittlerweile so wenige Übernahmewillige, da darf das Unternehmen doch nichts kosten.“

Benno Packi: Ebenso falsch ist es meist, beim Kaufpreis auf den Substanzwert zu pochen. Für die Unternehmensnachfolge zählen in der Regel die Ertragsaussichten.

Der Mittelstand: Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Einzelpersonen, die eine Unternehmensnachfolge antreten? Und lässt sich daraus ein erkennbarer Beratungsbedarf ableiten?

Jeannette Peters: Wenn sich der Unternehmenserfolg sehr stark mit dem Vorgänger verbindet, was im inhabergeführten Mittelstand eine recht häufig anzutreffende Situation ist und einen oft nicht unerheblichen Teil des Unternehmenswert darstellt, wird gemeinsam eine Kommunikationsstrategie erarbeitet Damit der wertvolle „gute Name“ des prominenten Eigentümers auf den „geeigneten“ Nachfolgenden übertragen und weiterhin wertschöpfend genutzt wird.

Holger Wassermann: Es gibt Übernehmer, die sich einfach überschätzen und versuchen, die Schritte der nächsten fünf Jahre in einem Schritt zu erledigen. Wenn Team aus einem Personal Coach und einem Strategieberater den Unternehmer auch noch nach erfolgter Übernahme begleiten, können sie ihn vor dieser Hybris bewahren und für mehr Bodenhaftung sorgen.

Der Mittelstand: Für Start-ups und für familiäre Nachfolger haben sich Netzwerke gebildet. Finden sich auch für Noch-nicht-Unternehmer hilfreiche Gesprächskreise?

Benno Packi: Man hört viel von Personen, die mehrere Start-ups-Gründen, aber kaum von „Serien -Nachfolgern“. Insofern ist unser BVMW-Expertenkreis die Gruppe, die Erfahrung mit einer Vielzahl von Unternehmensübernahmen hat. Die Mitglieder des BVMW sind aber die aktiven Unternehmer, also jene, die irgendwann einmal auf der Verkäuferseite stehen.

Jeannette Peters: Um die Zielgruppe potenzieller Nachfolger direkt zu erreichen, müssten wir also ein Netzwerk im Netzwerk aufbauen. Damit sollten wir gezielt mindestens die zweite Führungsebene unserer Mitgliedsunternehmen ansprechen, insbesondere die Führungsfrauen. Gleichzeitig könnten wir so für den unternehmerischen „Nachwuchs“ in unserem Verband sorgen.

Das Interview führte Caroline Nasarewski, Referentin für Bildung, Unternehmensnachfolge und Frauen im Mittelstand im BVMW

Die Diskussionspartner aus dem Expertenkreis Unternehmensnachfolge

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