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01.04.2022

"Patentabteilungen sollten keine Stiefkinder sein"

Daniel Papst ist Geschäftsführer der Papst Licensing GmbH & Co. KG in St. Georgen im Schwarzwald.

Autor: Prof. Dr. Jo Groebel

Im Interview spricht er über die Abläufe und besonderen Herausforderungen in einem Patentverwertungsunternehmen.

Prof. Dr. Jo Groebel: Herr Papst, Sie führen mit Ihrem Bruder zusammen als geschäftsführender Gesellschafter die Papst Licensing in St. Georgen. Spannend war für mich, dass Ihr Unternehmen auf rund 100-jährige Ursprünge zurückgeht.

Daniel Papst: Ja, unser Großvater Herrmann Papst ist in Wien aufgewachsen und hatte im Jahr 1919 als 17-Jähriger die Idee einer durch einen Elektromagneten in Schwung gehaltenen Pendeluhr. Diese Erfindung ließ er beim österreichischen Patentamt als sein erstes von über 400 Patenten patentieren. 1932 machte er die Erfindung und Anmeldung des Grundlagenpatentes für einen Drehfeldmotor mit Außenkäfig, der die Ausgangsbasis für den weltbekannt gewordenen „Papst Motor“ gründete. Der patentierte, obertonarme Lautsprecher fand im Volksempfänger Serienanwendung, erste Lizenzeinnahmen flossen.

Das hört sich sehr vielversprechend an. Wie ging es danach weiter?

Das Ingenieurbüro wurde 1942 auf dem Rathaus St. Georgen als „Gewerbebetrieb zur Herstellung von Außenläufermotoren“ eingetragen – daraus entstand die Papst Motoren KG, die seit 2003 unter ebm-papst St. Georgen GmbH & Co. KG firmiert. 1992 kam es unter Druck der Hausbank zum unfreiwilligen Verkauf der Papst Motoren GmbH & Co. KG, die Gründerfamilie war nicht mehr am Unternehmen beteiligt. Unser Vater Georg Papst sah im Gegensatz zur Bank ein Potenzial in dem Patentportfolio mit etwa 600 Patenten und anhängigen Anmeldungen und erwarb dieses 1993 unter großem Risiko. Mit der neugegründeten Papst Licensing verwertete er die vormaligen Papst Motoren Patente – auch viele eigene Erfindungen sind dabei – und lizenzierte ehemalige Konkurrenten und Kunden überaus erfolgreich. Nach der Jahrtausendwende stieß zunächst mein Bruder Constantin zum Unternehmen, seit 2005 bin ich dabei. Die Patentverwertungsdienstleistung wird nun auch Dritten angeboten.

Eine großartige Kombination aus juristischer und ingenieurwissenschaftlicher Kompetenz, die Ihre Firma auch heute noch kennzeichnet. Inzwischen operieren Sie weltweit und arbeiten als Patentverwertungsunternehmen.

Unsere Kundinnen und Kunden sind unter anderem Patentinhaber, die irgendwo auf der Welt eine Patentverletzung, also einen Eingriff in den Schutzbereich ihrer eigenen Schutzrechte, befürchten. Häufig haben diese versucht, eine Patentverletzung zunächst direkt mit dem Verletzer zu klären. Besonders kleinere Unternehmen werden dann aber nur zu oft von großen bis hin zu multinationalen Unternehmen abgewimmelt. Hier kommen wir mit unserer Expertise und Reputation ins Spiel. Als One-Stop-Shop liegen bei uns 30 Jahre Verwertungserfahrung und Durchsetzungskompetenz in einer Hand, und wir haben entsprechende Ressourcen, wenn nötig einem Patentverletzer Paroli bieten zu können. Über unsere Analysekompetenz, auch in Zusammenarbeit mit externen Partnern, können wir recht genau bestimmen, ob, in welchem Ausmaß und an welcher Stelle konkret eine Patentverletzung vorliegt. Ebenso, wie sich dies finanziell, das heißt, Chance versus Risiko, und gegebenenfalls juristisch bezüglich einer Patentdurchsetzung darstellt. Unser Ziel ist dabei, durch rationale und überzeugende Argumentation direkt gegenüber dem unberechtigten Patentnutzer gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dies erfordert die Begegnung auf Augenhöhe auch mit multinationalen Unternehmen. Es geht um die Wahrung berechtigter Interessen und Durchsetzung valider Rechte.

Erwerben Sie von Ihren Kundinnen und Kunden die Schutzrechte zur weiteren Verwertung, oder wie ist Ihr Geschäftsmodell gestaltet?

Wir verfolgen mehrere Ansätze. Ursprünglich erwarben wir aussichtsreiche Patente und haben diese dann im eigenen Namen lizenziert und durchgesetzt. Dies hat uns auch als Marke im Patentmarkt gestärkt. Inzwischen haben wir uns ebenfalls in Unternehmen eingekauft, die mit Patentverletzungen konfrontiert waren, um sowohl unser Verwertungs-Know-how als auch die benötigte Finanzierung bereitzustellen. Auch eine fokussierte Patentprozessfinanzierung haben wir schon zur Verfügung gestellt. Prozessunterstützung im Sinne des Zugriffs auf unser Netzwerk erfahrener, hochqualifizierter Patentund Prozessanwälte, technischer und ökonomischer Sachverständiger gehört ebenso zu unserem Angebot.

Für Mittelständler sind die entsprechenden Aktivitäten ohne große eigene Rechtsabteilungen sehr aufwendig, zu aufwendig. Ganz abgesehen von den Energien und dem Zeitaufwand, den all das in jedem Fall bedeutet.

Ja, die Verwertung und Verfolgung einer Patentverletzung kann ganze Abteilungen und ein erhebliches Budget binden. Wir nehmen den ursprünglichen Patentinhaber aus der Schusslinie, sowohl was den personellen als auch den finanziellen Einsatz betrifft. Wenn all dies auch noch international geschieht, zum Beispiel in den USA, gerät ein Unternehmen ganz schnell ohne unsere oder eine ähnliche Unterstützung an seine Grenzen.

Wie sieht Ihr Business-Case aus?

Unsere Verwertungsdienstleistung macht erst oberhalb bestimmter Volumina Sinn, zudem spielen der zu erwartende finanzielle Aufwand auch im Kontext antizipierter externer Sachverständigen- und Anwaltskosten sowie die Lizenzprognosen eine Rolle. Es muss also immer abgewogen werden: Risiko – insbesondere Kosten und Aufwand – versus Chance, also möglicher Ertrag mal Eintreffenswahrscheinlichkeit, sind in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen.

Welche Branchen decken Sie besonders ab?

Historisch waren und sind es zunächst Elektronik und Motoren, also zum Beispiel elektrische Antriebstechnik. Inzwischen sind unsere Kompetenzfelder deutlich ausgeweitet worden. Auch wenn ich selbst Elektrotechnik studiert habe.

Wie oft werden nicht zuletzt von Großunternehmen die Grenzen ausgereizt? Zum Beispiel, indem man bei einer unklaren Patentlage einfach mal loslegt und es darauf ankommen lässt, ob jemand dagegen aktiv wird?

Bedauerlicherweise ist das an der Tagesordnung. In der Branche spricht man auch vom efficient infringement, also dem effizienten Verletzen, da der Verletzer einfach die Rechte, oft auch nach Kenntnisgabe durch den Patentinhaber, nutzt, und davon ausgeht, dass der Patentinhaber die Kosten und Risiken der Patentdurchsetzung scheut. Und bezüglich möglicher Blockierungsstrategien: Wie oft erwerben größere Unternehmen ohne Interesse an eigener Produktion Patente nur deshalb, um die Vorhaben kleinerer, konkurrierender Firmen, die diese brauchen würden, zu verhindern? Dies ist nicht die Regel, kommt meines Erachtens seltener im Bereich von Automotive und Elektronik vor. Wenn, dann eher in der Pharmaund der chemischen Industrie. Zudem sind häufig Entwicklungszyklen so rapide, dass Patente gar nicht mehr sinnvoll sind, jedenfalls wenn wir wieder an die Autoindustrie denken und besonders die zugegeben nicht sonderlich massenmarktbezogene Formel 1. Hier wird von Woche zu Woche weiterentwickelt.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach den früher vielfach beklagten Patentverletzungen durch chinesische Unternehmen.

Das Patentrecht in China orientiert sich am deutschen und ist unserem daher weit ähnlicher als das US-amerikanische. Und es funktioniert tatsächlich sehr gut, auch für Ausländer, wenn sie dort juristisch aktiv werden. Das gilt jedenfalls seit knapp zehn Jahren. Das hat seitens der chinesischen Regierung auch mit der Einsicht und Überzeugung in die eigene Erfindungsstärke und Notwendigkeit von starken Schutzrechten gegenüber Dritten zu tun. Bis hin zur Durchsetzung eigener Rechte in den USA, zum Beispiel durch Huawei. In der Branche wird auch bei Patent-Konferenzen in den USA von Insidern bestätigt, dass China vielleicht nach vielen Kriterien inzwischen sogar eine klarere und effizientere Struktur zur Durchsetzung eines chinesischen Patentes biete als ein US-Patent bei unserem transatlantischen Partner.

Das zeigt, wie sehr sich liebgewonnene Denkmuster verändern müssen. Das gilt auch bei der Rolle, die der Mittelstand den Patentabteilungen, ob intern oder in Partnerschaft mit Externen, zuweist. Sie plädieren für eine Veränderung: Schutz ja, aber nicht ausschließlich und nicht einmal primär, sondern ein Nutzen der Patente für eigene Geschäftsmodelle und für Lizenzvergaben. Also von Reaktiv zu Proaktiv?

Wir finden das in gemeinsamen Studien mit Hochschulen bestätigt. Patente werden vielfach angemeldet und bleiben danach meist in der Schublade als Verwaltungsposten und -kosten. Patentabteilungen sollten in Unternehmen keine Stiefkinder sein, man kann sie viel mehr zur Entwicklung von bestehenden und neuen Geschäften hinzuziehen, nicht zuletzt durch Lizensierung und Blicken über den Tellerrand.

Eine ziemlich komplexe Materie ist die sich derzeit in Deutschland vollziehende Veränderung der Patentgesetzgebung.

Es wird sich erst in einigen Jahren erweisen, ob meine Meinung zutrifft, dass sich unser Land international mit der Aufweichung des Unterlassungsanspruches einen Bärendienst erwiesen hat. Als spezialisiertes und flexibles mittelständisches Unternehmen werden wir aber auch damit umgehen können.

Wir waren einmal ein Vorbildland für Ingenieurwesen und Patente. Wie steht es heute damit?

Es trifft durchaus noch immer zu. Nur müssten die öffentliche Anerkennung, die durch die Politik und nicht zuletzt die Umsetzung dieser Anerkennung zum Beispiel in den Bildungsstrukturen viel größer werden. Innovative Ingenieure braucht das Land. Dann müssten wir internationale Konkurrenz nicht fürchten. Das gehört schon in die Schule, um Schülerinnen und Schüler zu technischen Berufen zu motivieren. Dazu gehört sicherlich auch eine gewisse Durchhaltebereitschaft der Ausbildungswilligen.

Leider hapert es manchmal daran, auch wegen vermittelter Weltbilder, dass man auch mühelos durchs Leben kommen könne. Das gilt nicht für Sie. Sie haben an der Technischen Hochschule Karlsruhe, sehr renommiert, das aufwendige Studium der E-Technik absolviert. Und dann auch noch die Qualifikation als Patentanwalt erworben. Aber sicher entspannen Sie auch manchmal ...

Musik gehört zu meinen Leidenschaften, ich engagiere mich vielfach regional ehrenamtlich – auch in der lokalen Jugendmusikschule. Vor kurzem habe ich eine Prädikantenausbildung der evangelischen Landeskirche in Baden abgeschlossen, ich bin Kirchenältester in meiner Kirchengemeinde und predige auch ab und zu. Zudem bin ich Stiftungsbeiratsvorsitzender unserer Stiftung „Helfen aus Dank“.

Gibt es sportlichen Ausgleich?

Ich war Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und mag den Sport auch jetzt noch gerne. Aber über eine seltene Runde auf dem Trimm-DichPfad und mal ein Stündchen Skifahren am Lift hinter unserem Wohnhaus geht es selten hinaus. Die Verbindung aus christlich geprägtem Ethos und unternehmerischem Wirken kennzeichnet mich vermutlich im privaten und im beruflichen Leben doch eher.

Das wurde auch in unserem Gespräch sehr deutlich. Ich danke Ihnen ganz besonders herzlich dafür.

Das Gespräch führte der Medienexperte Prof. Dr. Jo Groebel

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