Gasspeicher

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01.08.2022

Gerüstet für den Gasnotstand

Mit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine stellte sich unmittelbar auch die Frage nach der Versorgungssicherheit hierzulande.

Autor: Klaus Müller

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 23. Juni die Alarmstufe nach dem Notfallplan Gas ausgerufen. Um auf mögliche Liefereinschränkungen oder -ausfälle der Gasversorgung reagieren zu können, ist das Krisenteam Gas zusammengetreten.

Der Notfallplan regelt die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation. Die Ausrufung der Alarmstufe dient lediglich der Vorsorge und einem intensiven Monitoring der Versorgungssicherheit. Dazu gehört, tägliche Lageberichte zur Gasversorgung zu veröffentlichen. Zusätzlich werden fortlaufend die Informationen zum Stand der Krisenvorbereitungen erweitert. Die Versorgungssicherheit ist zum aktuellen Zeitpunkt (Stand Mitte Juli) noch gewährleistet. Eine Verschlechterung der Lage kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Ob die Gasspeicher bis zum 1. November ausreichend gefüllt sein werden, hängt entscheidend davon ab, wie hoch die Gasflüsse über Nord Stream 1 nach der Wartung der Pipeline sein werden. Die von den ausbleibenden Lieferungen betroffenen Unternehmen können diese Mengen zurzeit zu deutlich höheren Preisen anderweitig am Markt beschaffen. Die Großhandelspreise sind infolge der Lieferreduzierung spürbar gestiegen und haben sich zuletzt auf höherem Niveau eingependelt.

Für die Menschen im Land hat sich mit der Ausrufung der Alarmstufe rechtlich erst mal nichts geändert. Es erfolgt in dieser Stufe auch noch kein Markteingriff. Die Marktakteure kümmern sich in Eigenregie um eine Beherrschung der Lage. Die ersten beiden Stufen (Frühwarn- und Alarmstufe) sind aber Warnsignale, dass jetzt Gas gespart und eingespeichert werden sollte.

Energie sinnvoll einsparen

Für den Sommer könnte Deutschland dank der bereits ergriffenen Vorsorgemaßnahmen wohl auf russisches Gas verzichten. Um im kommenden Winter die Versorgung sicherzustellen, braucht es jedoch weitere Maßnahmen. Dabei gilt: Je mehr Gas bis zum und im Winter verbraucht wird, desto schwieriger kann die Lage werden. Deshalb ist es wichtig, bereits jetzt die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um so viel Energie wie möglich einzusparen.

„Je mehr Gas bis zum und im Winter verbraucht wird, desto schwieriger kann die Lage werden.”

Sollten die Maßnahmen der Frühwarn- oder Alarmstufe nicht ausreichen oder eine dauerhafte Verschlechterung der Versorgungssituation eintreten, kann die Bundesregierung die Notfallstufe ausrufen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die marktlichen Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um Angebot und Nachfrage physisch in Balance zu bringen. Dadurch bestünde ein Engpass. Die Bundesnetzagentur übernimmt in diesem Fall die Funktion des Bundeslastverteilers. Ihr obliegt dann, in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern Maßnahmen zur Sicherstellung des lebenswichtigen Gasbedarfs anzuweisen. Sie kann zum Beispiel verfügen, Bedarfe zu reduzieren. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen gesetzlich besonders geschützt, das heißt, sie bekommen möglichst bis zuletzt Gas. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser und Haushalte. Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung von Haushalten dienen, haben einen vergleichbaren Status. In der Bundesnetzagentur laufen die erforderlichen Vorbereitungen, um auf unsere Pflichten in der Notfallstufe bestmöglich vorbereitet zu sein.

Planungssicherheit für Unternehmen

Eine Mangellage erfordert schwierige Entscheidungen. Sie erfolgen immer vor dem Hintergrund der dann geltenden Umstände und hängen von vielen Parametern ab. Daher bereitet die Bundesnetzagentur keine abstrakte Abschaltreihenfolge vor. Der wiederholt vorgetragene Wunsch der potenziell betroffenen Unternehmen danach ist natürlich nachvollziehbar. Schließlich brauchen sie Planungssicherheit. Gleichwohl wird eine abstrakte Regelung der Komplexität des Entscheidungsprozesses nicht gerecht. Sie ist auch nicht geeignet, im Vorfeld tragfähige Lösungen herbeizuführen. Vielmehr müssen Entscheidungen mit Blick auf Belange und Bedeutung der betroffenen Akteure, die gesamtwirtschaftliche, ökologische und soziale Wirkung getroffen werden. Auch die netztechnische Situation und die bestehenden Gasflüsse darf man in einer Gesamtabwägung nicht aus dem Blick verlieren.

Um diese Entscheidungen vorzubereiten, holt die Bundesnetzagentur aktuell von großen Gasletztverbrauchern in Deutschland umfassende Informationen ein. Sie beinhalten deren Anschluss- und Verbrauchssituation sowie die unmittelbaren Folgen einer Gasbezugsreduktion. Zusätzlich laufen weitere Analysen. Ziel ist, die Folgen einer kurzfristigen Einstellung oder Reduzierung der Gasversorgung bei den betroffenen Unternehmen und in den jeweiligen Gasnetzen besser einschätzen und abwägen zu können. Die Informationen werden in Abstimmung mit den Netzbetreibern in eine IT-basierte Sicherheitsplattform Gas überführt. Diese soll jederzeitig Aktualität bieten. Außerdem ermöglicht sie eine einfachere Verknüpfung der für eine Entscheidung im konkreten Einzelfall relevanten Informationen.

Die Bundesnetzagentur ist sich der erheblichen Folgen einer Gasmangellage sehr bewusst. In einer Notfallstufe gibt es keine guten Entscheidungen. Ziel kann es nur sein, die insgesamt am wenigsten schlechte Entscheidung zu treffen. Schäden werden im Einzelfall in einer Notfallstufe höchstens zu begrenzen sein. Deswegen unterstützt die Bundesnetzagentur alle Anstrengungen der Bundesregierung, eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung zu vermeiden. Fokus heute muss sein, erstens den Bezug von Gas zu diversifizieren, was Bundeswirtschaftsminister Habeck mit großem Nachdruck verfolgt. Zweitens arbeiten Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur intensiv daran, die Gasspeicher für den nächsten Winter zu füllen. Und drittens sollten alle, wo immer möglich, Gas einsparen. Denn Gas, das nicht verbraucht und eingespeichert wird, steht uns im Winter zur Verfügung.

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