Eine Uhr und im Hintergrund Bauarbeiter

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17.07.2023

Positionen für ein mittelstandsfreundliches Arbeitszeitgesetz

Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig und attraktiv für Beschäftigte zu sein, benötigen kleine und mittelständische Unternehmen ein flexibles und bürokratiearmes Arbeitszeitgesetz.

Kernforderungen des Mittelstandes

  • Ehrenamtliche Tätigkeiten von Arbeitszeit ausnehmen
  • Wochenarbeitszeit statt starrer Tagesarbeitszeit
  • Monats- und Jahresarbeitszeitkonten einführen
  • Vertrauensarbeitszeit fördern
  • Ausnahmen für Neugründungen zulassen
  • Nichtanwendungsbereich des Gesetzes klarer definieren
  • Keine verpflichtende Vier-Tage-Woche
  • Lange Übergangsfristen regeln

Allgemein

Für den Mittelstand ist der Fach- und Arbeitskräftemangel Wachstumshemmnis Nummer 1. Um Produktion und Verarbeitung aufrecht zu erhalten, neue Märkte zu erschließen und bestehende zu bedienen, müssen mittelständische Unternehmen Mitarbeiter verlässlich rekrutieren und an sich binden können. Hierzu kann ein modernes Arbeitszeitgesetz einen wertvollen Beitrag leisten. Kreativität und Innovationskraft sind wesentliche Charakteristika mittelständischer Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Neben übertariflicher Bezahlung, Weiterbildungsmaßnahmen und betrieblicher Gesundheitsförderung bietet der überwiegende Teil der mittelständischen Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle an. All dieses hilft, sich ändernden Arbeitswelten anzupassen. Vor allem im Arbeitsverständnis jüngerer Generationen sind Work-Live-Balance und flache Hierarchien feste Bestandteile. Spätestens durch die Pandemie etablierten sich Homeoffice und mobiles Arbeiten. Beruf und Arbeitszeit müssen so weit wie möglich mit der Familie oder der Pflege von Angehörigen vereinbar sein. Die Arbeitszeitmodelle vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen ziehen all dies in Betracht und werden so ihrer sozialen und unternehmerischen Aufgabe gerecht. Um dies weiter zu tun und den Wohlstand Deutschlands nachhaltig zu sichern, braucht der Mittelstand ein modernes, praxisnahes und bürokratiearmes Arbeitszeitgesetz mit flexiblen Rahmenbedingungen.

Ehrenamtliche Tätigkeiten von Arbeitszeit ausnehmen

Grundsätzlich besteht Konsens, dass ehrenamtliche unbezahlte Tätigkeiten, z. B. für die Freiwillige Feuerwehr oder das THW, nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten. Das sollte gesetzlich klargestellt werden, um unnötige Zweifel insbesondere für die vielen Menschen, die ehrenamtliche Tätigkeiten leisten, zu beseitigen. Ebenso wichtig ist es aber auch für die Unternehmen, diese Klarheit zu haben. Ehrenamtliche Tätigkeiten sollen daher ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes herausgenommen werden. Auch die von Unternehmen geförderte pro-bono work oder gemeinnützige Tätigkeiten sollten dem Ehrenamt gleichgestellt werden, auch wenn sie im Entgelt des Arbeitnehmers erfasst werden. Es gilt, hier ein Signal zu setzen und die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Arbeit zu erleichtern.

Wochenarbeitszeit statt starrer Tagesarbeitszeit

Wir brauchen dringend eine wöchentliche Arbeitszeit und eine Abkehr von der starren Tagesarbeitszeit hin zu der Möglichkeit, Arbeit flexibel zu disponieren. Die bisherige Regelung, durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten, kann beibehalten werden. Auch die maximale Wochenarbeitszeit von 60 Stunden muss nicht aufgegeben werden. Möglich gemacht werden sollte jedoch, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit unter Beachtung der elfstündigen Ruhezeit frei disponieren können. So können z. B. 35 Stunden in den ersten drei Tagen der Woche gearbeitet werden, wenn die folgenden vier Tage arbeitsfrei blieben. Wichtig ist, dass ein zeitnaher Ausgleich erfolgt und Freizeit ermöglicht wird.

Monats- und Jahresarbeitszeitkonten
einführen

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss es kleinen und mittelständischen Unternehmen ermöglicht werden, flexibel auf saisonale oder konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Vor allem müssen Produktionsspitzen so weit wie möglich mit der bestehenden Belegschaft abgearbeitet werden können. Die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden muss möglich sein. Natürlich nur wenn ein Ausgleich im folgenden Sechs-Monatszeitraum auf 48 Stunden durchschnittliche Arbeitszeit erfolgt. Bis jetzt ist das nur tarifgebundenen Unternehmen gestattet. Dem tarifungebundenen Mittelstand, der in weiten Teilen übertarifliche Löhne zahlt, sollte das auch zugestanden werden. Bei einvernehmlichen Absprachen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, soll der Ausgleichszeitraum auf zwölf Monate verlängert werden können. Bei Bestehen eines Betriebsrats natürlich unter Beteiligung dieses Betriebsrats. So lange die maximale Grenze von zwölf Stunden Arbeitszeit pro Tag und die tägliche Ruhezeit von elf Stunden eingehalten werden, sollten auch monatliche Arbeitszeiten vereinbart werden dürfen.

Vertrauensarbeitszeit fördern

Als Mittelständler glauben wir an eine Vertrauens- und nicht an eine Kontrollkultur. Geschäftsführer kleiner und mittelständischer Unternehmen sind in der Lage, die Arbeitsleistung ihrer Beschäftigten anders zu beurteilen als mittels einer wöchentlichen Stundenzahl. Arbeitgeber und Beschäftigte sollen auch in Zukunft einvernehmlich Zielvereinbarungen für Vertrauensarbeitszeitmodelle treffen können. Eine diesbezügliche Gängelung durch den Gesetzgeber lehnen wir ab. Um das Wohlergehen von Beschäftigten zu sichern, empfehlen wir, für Vertrauensarbeitszeitmodelle einen jährlich verpflichtenden Gesundheitscheck der physischen und psychischen Gesundheit einzuführen. Unbedingt sollte Vertrauensarbeitszeit bei der mobilen Arbeit einsetzbar sein. So kann der Gesetzgeber eine praxisnahe und unbürokratische Regelung für remote Work schaffen.

Ausnahmen für Neugründungen
zulassen

Neu gegründete Unternehmen sollen in den ersten vier Jahren nach der Gründung von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen werden. Das kann allerdings nur für solche Neugründungen gelten, die nicht durch Betriebsübergänge zustande kommen.

Nichtanwendungsbereich des Gesetzes klarer definieren

Das Arbeitszeitgesetz wird nicht auf leitende Angestellte angewendet. Wie der Begriff des leitenden Angestellten auf mittelständische Unternehmen anzuwenden ist, ist für Unternehmer schwer zu verstehen. Es wäre ratsam, eine klarere Definition des Begriffs festzulegen. Die im Arbeitszeitgesetz vorgenommene Definition mit dem § 5 Abs.3 BetrVG ist wenig hilfreich, da sie zum einen zu schwammig formuliert ist und zum anderen im Zweifelsfall kaum leitende Angestellte zulässt. Daher:

  • Für den Mittelstand, insbesondere für kleine und Familienunternehmen, sollte überlegt werden, mitarbeitende Familienangehörige der Familie, die mindestens 50 Prozent der Anteile hält, auszunehmen,
  • Unabhängig davon wäre eine Abgrenzung z. B. für außertarifliche Beschäftigte oder solche, die eine gewisse Leitungsebene, z.B. minus zwei zum Vorstand innehaben, aus dem Geltungsbereich auszunehmen,
  • Zusätzlich stellt sich die Frage, ob Beschäftigte mit hohen Einkommen, insb. wenn sie zusätzlich Anteile am Unternehmen haben noch zu recht unter den Schutzbereich fallen; z. B.: Ausgenommen werden Beschäftigte mit einer Beteiligung von fünf Prozent am Unternehmen, die direkt oder indirekt gehalten werden und einem Einkommen von mindestens dem 1,5-fachen der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze bzw. mit einem Einkommen das dem zweifachen der Beitragsbemessungsgrenze entspricht oder dies übersteigt.

Keine verpflichtende Vier-Tage-Woche

Um Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten, ist der Mittelstand zu innovativen Arbeitszeitmodellen verpflichtet. Wo es möglich ist, sollen Unternehmer und Mitarbeiter, beiderseitiges Einverständnis vorausgesetzt, Modelle wie die 4,5- oder Vier-Tage-Woche einführen dürfen. Über die Frage des Lohnausgleichs soll in den Betrieben entschieden werden. Die Lohnfindung zählt nicht zu den Aufgaben der Politik. Angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels in nahezu jeder Branche, hätte eine verpflichtende Einführung der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich fatale wirtschaftliche Konsequenzen.

Lange Übergangsfristen regeln

Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, bedeutet das Umstellen auf eine elektronische Zeiterfassung einen nicht unerheblichen kostenträchtigen Aufwand. Häufig gehen damit auch Änderungen im Betriebsablauf einher. Um den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten, fordern wir lange Übergangsfristen für die Anwendung des Gesetzes auf kleine und mittelständische Unternehmen. Außerdem sind wir der Überzeugung, dass die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten (Schwellenwert wie bei der Anwendung des KSchG) unverhältnismäßig ist. Hier soll auch in Zukunft manuell aufgezeichnet werden dürfen.

Download

Positionspapier „Arbeitszeitgesetz“ (07/2023)  pdf / 132,8 KB

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