Virtuelle Datenbahnen

knssr | www.stock.adobe.com

Themen

03.05.2023

Die Datenautobahn braucht kein Tempolimit

Fehlendes Bewusstsein für Chancen und Risiken, vielerorts Unwissenheit über die technologischen Möglichkeiten, verwirrende regulative Vorgaben und die stockende Digitalisierung...

... der öffentlichen Verwaltung stellen der digitalen Transformation in Deutschland kein gutes Zeugnis aus.

Seit 2014 überwacht die Europäische Kommission den digitalen Fortschritt der Mitgliedstaaten über den Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index – DESI). Im Jahr 2022 reichte es für Deutschland in der Gesamtwertung nur für einen mittelmäßigen 13. Platz. In der wichtigen Schlüsselkategorie Integration der digitalen Technologie, die die Nutzung digitaler Technologien zur Verbesserung von Dienstleistungen und Produkten, also die Erreichung von Wettbewerbszielen, misst, langte es sogar nur für einen unterdurchschnittlichen 16. Platz. In den Kategorien Humankapital und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung war es sogar nur der 18. Platz.

Auch in der bundesinternen Betrachtung sieht es nicht viel besser aus. Nach dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz (OZG) hätten es Bund, Länder und Kommunen bis Jahresende 2022 schaffen müssen, einen Katalog von knapp 600 Dienstleistungen auch digital anzubieten. Laut Portalverbund Onlinegateway (PVOG) sind im Januar 2023 gerade einmal 108 OZG-Leistungen flächendeckend verfügbar.
Ein schwaches Bild für eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt.
Die Coronapandemie als Begründung für die Verzögerung der Entwicklung wäre aber nicht stichhaltig, weil nicht zuletzt Lockdowns, Homeoffice und Homeschooling wahre Treiber von Digitalisierungs-initiativen waren.
Leider ist derzeit sogar zu erkennen, dass viele der Kollateralnutzen der Pandemie, wie der hohe Anteil von digitalbasiertem Unterricht in den Schulen, eher wieder rückläufig sind. In einem Land wie Deutschland, das über keine nennenswerten Bodenschätze verfügt und in vielerlei Hinsicht von anderen Ländern existentiell abhängig ist, kann die Digitalisierung nicht nur neue Wertschöpfung ermöglichen, sondern auch helfen, den großen Herausforderungen unserer Zeit wie dem Klimawandel und der demographischen Entwicklung entgegenzutreten.
Neue digitale Produkte und Leistungen, intelligente Systeme und effiziente Automatisierung in Produktion, Logistik und Verkehr tragen dazu bei, den Wirtschaftsstandort Deutschland wie auch die Gesellschaft als Ganzes fit für die Zukunft zu machen. Dafür ist aber ein in die digitale Zukunft gerichteter politischer Rahmen notwendig.

Staat und Verwaltung müssen Vorreiter sein

Ein zentrales Element zur digitalen Transformation Deutschlands ist die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die ihren selbstgesetzten Zielen des OZG bei Weitem nicht gerecht wird – ein mehr als schlechtes Zeichen für Wirtschaft wie Gesellschaft. Der Staat sollte seiner Rolle als Vorbild Rechenschaft tragen und eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung von Diensten und Leistungen einnehmen.

Digitale Bildung für alle

Das DESI-Ranking zeigt, dass das Wissen um moderne digitale Möglichkeiten in Deutschland zu spärlich gesät ist. Es fehlt an Fachwissen und Vorstellungskraft, was mittels Digitalisierung für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden kann. Aus diesem Grund sollte konsequent auf digitale Bildung – von der Schule bis zu berufsbegleitenden Angeboten – gesetzt werden, um alle Alters- und Gesellschaftsschichten nicht nur zu sensibilisieren, sondern auch entsprechend zu befähigen.

Digitale Souveränität

Nicht zuletzt sollten in einem so wichtigen Themenfeld kritische Abhängigkeiten zu anderen Staaten oder Regionen der Welt vermieden werden, um unsere Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit in Europa für die Zukunft zu sichern. Europäische Souveränität durch lokale, wettbewerbsfähige Dienstanbieter ist ein wesentlicher Eckpfeiler nachhaltiger Digitalpolitik.

Vorreiterrolle Mittelstand

Mit der Novelle der digitalen Agenda für den Mittelstand hat die Kommission Internet und Digitales des BVMW ihren Fokus auf die dringendsten politischen Felder – die digitale Verwaltung, digitale Bildung und die digitale Souveränität – gelegt. Diese sind zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation in Gesellschaft und Wirtschaft.
Aber auch der deutsche Mittelstand ist prädestiniert, in diesem Veränderungsprozess eine Vorreiterrolle einzunehmen, weil seine Innovationskraft, sein langfristiges und generationsübergreifendes Denken und seine enge Beziehung zur lokalen Öffentlichkeit das Potenzial haben, sehr viel Wirkkraft zu erzeugen.

Gut zu wissen

  • Deutschland wird seinem Status als führende Wirtschaftsnation bei der Digitalisierung nicht gerecht. Von den knapp 600 gemäß OZG zu digitalisierende Verwaltungsleistungen wurden bis Januar 2023 nur 108 umgesetzt. Im DESI-Ranking der Europäischen Kommission reicht es nur für einen mittelmäßigen 13. Platz
  • Der deutsche Mittelstand ist durch seine Innovationskraft, sein langfristiges und generationsübergreifendes Denken und seine enge Beziehung zur lokalen Öffentlichkeit dafür prädestiniert, die Vorreiterrolle einzunehmen
  • Die Digitale Agenda des BVMW fokussiert die drei zentralen politischen Felder digitale Verwaltung, digitale Bildung und digitale Souveränität Deutschlands und Europas


Die Digitale Agenda des Mittelstands (06/2023)  pdf / 5,5 MB
Blue quad Luedemann Nico

Nico Lüdemann

Geschäftsführender Gesellschafter, Vorsitzender der Kommission Internet und Digitales

August-Schroeder-Str. 4

33602 Bielefeld

Deutschland

Google Maps

Verwandte Artikel