Stefan Schwan, ENGIE Deutschland GmbH

Themen

01.06.2022

"Energieeffizienz ist unser Leitprinzip"

Das Unternehmen ENGIE Deutschland will seine Kunden beim Übergang zur Klimaneutralität unterstützen.

Autor: Prof. Dr. Jo Groebel

Wie man Gewerbeimmobilien in Sachen Nachhaltigkeit und Effizienz auf Zukunftskurs bringt, erzählt Stefan Schwan, Geschäftsbereichsleiter Energy and Facility Solutions.

Prof. Dr. Jo Groebel: Herr Schwan, Ihr Unternehmen steht unter anderem für Facility Management und Sie selbst dabei noch einmal besonders für das Management von Nachhaltigkeit. Bei Gewerbeimmobilien könnte man durch Corona und eine Verlagerung auf Homeoffice auf die Idee kommen, auch Sie und Ihr Geschäftsfeld seien durch die Krise negativ betroffen.

Stefan Schwan: Ich würde das fast umkehren. Schon vor Jahren haben wir uns mit der Frage befasst, ob man Gewerbegebäude und speziell die Büronutzung in der bisherigen Form mit der entsprechenden Infrastruktur überhaupt noch braucht. Unsere Antwort – lange vor der Pandemie – war das Activity based working, also das tätigkeitsbezogene Arbeiten. Es bezeichnet die Abkehr von der territorialen Arbeit mit festem Schreibtisch und abgesonderter Anwesenheit. Stattdessen werden die räumlichen Anforderungen und Anpassungen bei jeweils unterschiedlichen, flexiblen Aktivitäten betont. Mobile Office lässt dabei grüßen. In den letzten zwei Jahren hat sich dieser Trend auch durch die Krise, aber unabhängig davon noch mal massiv verstärkt. Immobilien wurden zu lange bei der Frage nach Effizienz vernachlässigt. Es geht dabei schon mit der Flächeneffizienz los, nicht erst der eines Gebäudes und der dort verbrauchten Energie. Schon vor zwanzig Jahren war ich bei meinem Studium an der Hanzehogeschool Groningen, der ältesten multidisziplinären Hochschule in den Niederlanden, mit diesen Themen befasst.

Das heißt aber auch, dass Ihre Services heute zu großen Teilen andere sind als die des herkömmlichen Facility Managements.

Richtig. Und auch die Kosten pro Arbeitsplatz sind entsprechend ganz anders zu bestimmen.

Sie haben damit eine planende, gestaltende Funktion im Sinne einer ganz neuen Definition des Managements.

Ja, es geht darum, in der mittelständischen Wirtschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein Gebäude in seinen Funktionen so gut wie nie eine einmal und für immer in Stein gemeißelte Grundlage für Arbeit ist. In Stein gemeißelt selbstverständlich im übertragenen Sinne. Ich kann verstehen, wenn Firmeneigner stolz auf ihr Gebäude sind. Aber das heißt nicht, dass es im täglichen Gebrauch nicht auch Teil der Renditeüberlegungen sein kann. Der Wert ist mehr als nur eine einmal gezahlte oder zu erwartende Summe. Es ist seltsam, Maschinen im Kerngeschäft werden kontinuierlich einer Rendite unterzogen. Aber gewerbliche Immobilien werden selten kontinuierlich durch Unternehmer auf ihre Rendite überprüft. Wie auch, es ist eben nicht ihr Kerngeschäft.

Ich sehe das als einen evolutionären Prozess mit regelmäßiger Analyse und Anpassung. Und es geht wohl auch um Veränderungen der Definition von Arbeit und Arbeitsumgebung und den Zusammenhang zwischen privatem und beruflichem Leben. Erläutern Sie doch gerne den Namen und das Aktivitätsspektrum von ENGIE.

Eine simple Erklärung: Es war wohl der einzige noch freie Marken-Name mit den richtigen und einprägsamen Assoziationen von Engineering, Energie und dem angenehmen Wohlklang bis hin zu Angie, ohne dass es dabei um die Ex-Kanzlerin ging. Und damit passt die Marke hervorragend zu unserem Portfolio aus Energie, Technik und Dienstleistungen. Wir sind für Kunden aus Industrie, Gewerbe und öffentlicher Hand tätig, und das in Deutschland schon seit 1881.

Vielleicht dazu ein paar Kennzahlen zu Ihrem Bereich.

Innerhalb der ENGIE Deutschland stehen mein Team und ich für einen Umsatz von rund einer halben Milliarde Euro bei rund 1.900 Mitarbeitenden. Wir decken dabei Elektromobilität, Zukauf von regenerativer Energie, Engineering, Konzeptentwicklung, Softwaretools, Simulation, aber auch die Grünpflege und den Haustechniker ab.

Das gilt für Ihr Feld in Deutschland.

Ja, weltweit macht die ENGIE Gruppe mit allen weiteren Geschäftsfeldern rund 58 Milliarden Umsatz.

Ihr Ansatz ist auch verbunden mit dem Thema Digitalisierung. Wie sehen Sie unser Land innerhalb der internationalen Entwicklungen?

Leider wurde sie zu lange als Fluch, als Gefährdung von Arbeitsplätzen gesehen. Auch wenn das wohl kaum noch einer so sehen dürfte, die Auswirkungen sind immer noch in Defiziten an Infrastrukturen und im politischem Handeln zu sehen. Dabei ist die Digitalisierung erst einmal eine Chance und kann die meisten Lebensbereiche leichter machen. Zugleich bin ich selbstverständlich gegen jede Art von menschlichem Kontrollverlust, wie sie manche von einer zunehmend perfekteren Künstlichen Intelligenz und der Robotik befürchten.

Wir wissen noch zu wenig über Humanintelligenz, um uns um deren Ersatz durch Maschinen Sorgen machen zu müssen. Zurück aber zur heutigen Wirklichkeit. Sie propagieren Computer Aided Facility Management (Anm. d. Red.: computergestütztes Gebäudemanagement). Was genau verstehen Sie darunter?

Es ist nichts anderes als eine Plattform. Informationen gehen dort ein, werden verarbeitet und anderen zur Verfügung gestellt. All das in einer Weise, die es erlaubt, Erkenntnisse aus den Einzelinformationen zu ziehen und diese zu Handlungs- und Entscheidungsgrundlagen zu verbinden. Beispiel ist die defekte Leuchte in einem Büro: Früher hatte jedes Haus einen Hausmeister, er hätte diesen Defekt festgestellt und irgendwann behoben. Im vernetzten Gebäude wird der Schaden sofort festgestellt, welche Art von Leuchte betroffen ist, wo sich der Ersatz findet, welchen Preis dieser hat. Der Hausmeister ist nicht überflüssig, kann aber unmittelbar die korrekte Installation vornehmen. All das wird dokumentiert und wieder ins System zurückgespielt. Der Betreiber kann auf Basis aller Einzelinformationen die wahrscheinliche Lebensdauer der Leuchten berechnen und den Kostenaufwand.

Und all das nicht gegen Menschen, sondern durch Freisetzen von Kapazitäten und Kalkulationen, die auf effiziente Weise nachhaltig sind.

Richtig. Das entbindet uns jedoch nicht von der Notwendigkeit einer systematischen Technikfolgeneinschätzung, wie sie einer meiner wichtigen Professoren in den Niederlanden immer einforderte. Je mehr wir in der Arbeit im Sinne der Digitalisierung dematerialisieren können, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit eines umweltschädlichen Ausschusses und Ausstoßes. Man denke nur an das schon vor Jahrzehnten propagierte papierlose Büro.

Digitalisierung geht bei Ihnen nicht ohne Hardware, Sensoren oder gar Indoor-Drohnen, wie ich Ihren Informationen begeistert entnehmen konnte.

Vor etwa drei Jahren starteten wir mit der Idee, eine Art Google Maps für Innenräume zu schaffen. Schon bei mittleren Gebäuden, erst recht bei besonders großen, gehen Servicetechniker ganz schnell verloren. Manchmal handelt es sich um Areale von mehreren Hektar. Wenn zum Beispiel eine Tür klemmt, welche könnte es wohl sein? Die Identifizierung der betreffenden Tür und die Anleitung für den richtigen Weg dahin würden sich äußerst effizienzsteigernd auswirken. Eine drohnenunterstützte Kartographierung zur besseren Orientierung wäre hier eine Antwort, mit einer möglichen Zeitersparnis für die Arbeitskräfte von 40 bis 60 Prozent. Und dies als kontinuierlicher Ablauf.

Sind all diese Erkenntnisse schon bei Ihren Kunden angekommen?

Die Einsicht wächst. Noch aber haben wir nicht nur seitens der Unternehmer immer noch mit Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und angeblicher Arbeitsplatzgefährdung zu tun. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Freiwerdende Kapazitäten könnten viel sinnvoller eingesetzt werden. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Weitere Ihrer Stichworte sind hier BIM, Building Information Modelling, und vorhersehbare Instandhaltung, also Predictive Maintenance. Es heißt für mich vor allem, dass Sie bereits in die Gebäudeplanung miteinbezogen werden könnten oder müssten, um von vornherein eine entsprechende digitale Infrastruktur einzuplanen und zu realisieren.

Völlig zutreffend. In etlichen Ländern ist man da schon weiter, in Großbritannien kann ab einer bestimmten Größe kein Gebäude mehr ohne solche Planungen realisiert werden. Die Koordinaten müssen in ein 3D-Modell gebracht werden, um für den späteren Betrieb optimale Detailinformationen wiederfinden zu können. Auch hierzulande bewegt man sich inzwischen in diese Richtung.

Die Technik macht es inzwischen auch leicht möglich.

Predictive Maintenance ist eine weitere Verbesserung, die sich aus der Digitalisierung ergibt. Bei Verschleißteilen kann man basierend auf durchschnittlichen Lebensdauern mithilfe von Sensoren rechtzeitig darauf hinweisen, wann voraussichtlich ein Ausfall zu erwarten ist und entsprechend austauschen, um einen größeren Systemausfall deutlich unwahrscheinlicher zu machen. Solche Ausfälle können einen Betrieb vorübergehend lahmlegen. Mit digitaler Intelligenz wäre das durchaus vermeidbar.

Das Zusammenführen unterschiedlicher Daten schafft noch viele weitere Möglichkeiten der Ausfallsverhinderung durch intelligente Verarbeitung …

… und Erkenntnisse über notwendige Sensoren. Durch Analysen wurde festgestellt, dass wir nicht einmal über Heerscharen von klugen Fühlern sprechen, sondern häufig einige wenige für die richtige Prognose ausreichen. Mathematik hilft, und zusammen mit den Kenntnissen unserer Praktiker wird daraus eine gute Kosten-Nutzen-Beziehung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht.

Dies geht meines Erachtens durchaus mit einem hohen Einsparungspotenzial im Bereich Energie einher.

Und dürfte damit auch der Politik der neuen Bundesregierung entsprechen. Effizienz im Allgemeinen und Energieeffizienz im besonderen Sinne ist für uns ein Leitprinzip. Das bezieht sich auf den Verbrauch vor Ort. Zusammen mit umweltfreundlicher Energieerzeugung wird dann ein Schuh daraus, optimalerweise sogar mit selbst erzeugtem grünen Strom. Zum Beispiel bei eigenversorgenden Photovoltaik-Installationen. Je mehr am Standort selbst geschafft werden kann, desto weniger ist man abhängig von übergeordneten Strukturen und Abläufen. Auch diese brauchen wir selbstverständlich für die Versorgung im allgemeinen Interesse. Dazwischen sehe ich aber auch die Zunahme eines Quartierdenkens, bei dem mittlere Einheiten für beide zuständig sind, den Einzelbedarf und den gemeinschaftlichen im überschaubaren nachbarschaftlichen Rahmen.

Wie wirkt sich all dies mittelfristig auf die Preise aus?

Ich denke, dass wir in ein paar Jahren keine Kilowattpreise mehr haben werden, sondern uns weg vom Arbeitspreis hin zum Leistungspreis bewegen. Entscheidend ist, dass nicht die Menge, sondern die Zurverfügungstellung der Leistung bezahlt wird.

Bis hin zum Modell, bei dem der so erzeugte Strom sogar noch teils in die Gemeinschaftsnetze eingespeist wird.

Ja, das wird in Deutschland inzwischen häufiger praktiziert. Aber in der Schweiz ist man beispielsweise damit schon viel weiter. Dort wird noch konsequenter in allen Phasen zusammengearbeitet zwischen Architekten, Energiespezialisten, Nutzern und Facility Managern. Nachdem wir eine Ausschreibung gewonnen haben, setzen wir dieses Konzept aktuell übrigens in Berlin-Spandau als Gesamtdienstleister im neuen Gartenfeld-Quartier ähnlich um. Dies schließt eine Quartiers-App mit der Zurverfügungstellung von vielen Services ein, sogar einen Tauschmarkt für Nachbarn oder Car-Sharing, all das zum Nulltarif für die Anwohnenden. Auch Tauschen und Teilen können zur Nachhaltigkeit beitragen.

Kein Gespräch ohne die Frage nach Ihrer Biografie.

Gelernt habe ich Heizungs- und Lüftungsbauer, dann über den zweiten Bildungsweg zur Versorgungstechnik mit dem schon erwähnten Studium in Groningen. All das ist mir nicht nur Beruf, sondern Berufung. Auch sehr, sehr explizit zum Wohle unserer Umwelt. Nicht nur für uns selbst, vor allem auch für die nächste Generation. Und nur zu gerne verknüpfe ich es mit meiner privaten Leidenschaft für die Familie.

Ich danke Ihnen sehr für das interessante Gespräch.

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