Valentina v. Cramm

Valentina v. Cramm

Themen

Unternehmertum
31.01.2024

Valentina v. Cramm

Die Geschäftsführerin der W3 digital brands HAM GmbH im Interview für die Initiative „Starke Frauen – Starker Mittelstand“.

Wie sind Sie dazu gekommen, Unternehmerin zu werden?

Die richtigen Partner haben mich zur richtigen Zeit ermutigt. Ohne sie wäre ich immer noch zufriedene Angestellte statt selbstwirksame Unternehmerin.

Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, würden Sie denselben Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen?

Vor genau einem Jahr haben mir noch die Knie geschlottert, weil ich meine Entscheidung irre fand. Also, verrückt. Nun kneife ich mich manchmal, weil ich die Entscheidung irre finde. Irre gut.

Welche Entscheidung würden Sie für sich als Wegweisendste bezeichnen oder auch die, aus der Sie am meisten gelernt haben?

Ich kann das Gefühl noch ganz aktiv in mir wieder heraufbeschwören, das ich hatte, als mir klar wurde, dass ich die Position meines damaligen Chefs gar nicht haben wollen würde – selbst wenn sie mir offeriert worden wäre … was nicht der Fall war und vermutlich auch nie der Fall geworden wäre. Mit dieser Erkenntnis ging einher, dass ich mich mental davon frei gemacht habe, verbissen auf ein Ziel hinzuarbeiten, das es nun gar nicht mehr gab. Eine wichtige Erkenntnis für mich ist: Lebensziele und -wege immer wieder überprüfen.

Wodurch erfahren Sie besondere Wertschätzung für Ihre Arbeit?

Wenn Mittelständler nach der Arbeit mit mir oder uns neue Fachkräfte gewinnen und uns mit glänzenden Augen dafür danken. Wenn Unternehmer:innen stolz die neue Website betrachten, und sich und die eigene Arbeit in ganz neuem, frischen Licht betrachten. Wenn sich Kolleg:innen auch nach getaner Arbeit mit einem Drink gern zu mir setzen.

Welche Botschaft möchten Sie frisch gebackenen Unternehmerinnen oder Gründerinnen/Führungskräften mitgeben?

Die Tiefen werden tiefer, aber die Höhen werden höher. Dass man permanent an sich zweifelt, heißt nicht, dass man am falschen Ort ist. Sondern nur, dass man noch nicht ausreichend gelernt hat, diese Zweifel auszuhalten. Vermutlich gehen die nie weg – aber die mannigfaltigen Möglichkeiten nach Entfaltung und eigener Entscheidungsmacht entschädigen komplett dafür!

Mit welchen wesentlichen Maßnahmen fördern Sie in Ihrem Unternehmen gezielt Female Empowerment und geben Ihren Mitarbeiterinnen Rückenwind?

Unsere jungen Kolleginnen sind für mich das beste Beispiel, wie viel sich in den vergangenen 20 Jahren schon getan hat an Female Empowerment: Bei Berufseinstieg wären mir diese Persönlichkeiten heute haushoch überlegen – und Rückenwind brauchen sie von mir nicht. Was sie von mir aber dennoch bekommen, sind Erfahrungsberichte aus meiner Karriere. Sie haben in mir eine Sparringspartnerin und können Ideen, Konstrukte und Herangehensweisen an mir erst mal erproben. Außerdem habe ich ein „user manual” über mich für meine Kolleg:innen geschrieben, das meine Schwächen transparent aufzeigen und auch dazu führen soll, zu zeigen, dass man nicht immer nur „tough” sein muss, um sich im Berufsleben zu behaupten. Wer die Methode „user Manual” nicht kennt: Das ist eine strukturierte Liste an Dingen, die dem Gegenüber helfen soll, zu verstehen, wie man sich gegenseitig dabei unterstützen kann, die beste Arbeit zu leisten. Diese Liste enthält persönliche Eigenarten und präferierte Vorgehensweisen, aber auch Sachliches wie etwa Lieblingskommunikationskanäle.

Von der Politik erwarte ich hinsichtlich einer stärkeren Unterstützung von Unternehmerinnen und der Entwicklung von Frauen in Unternehmen im Allgemeinen ...

Unternehmerinnen müssen im Gegensatz zu Unternehmern kein bisschen von der Politik gefördert werden. Glaube ich. Eine Förderung muss viel früher stattfinden. Schon ganz häufig an- und besprochen in der Pädagogik, aber immer noch normal: Mädchen nicht dafür loben, dass sie ein schönes Kleid tragen, und Jungs nicht dafür anfeuern, dass sie schnell rennen können. So banal, aber die Konditionierung der Gefallsucht habe ich als Frau heute noch total internalisiert und erwische mich permanent dabei.

Was war die größte Herausforderung, die Ihnen begegnet ist?

Mein Gehirn/Verhalten ist privat so konditioniert, dass ich immer alles allein lösen muss. Ich bin die Älteste von drei Schwestern mit zwei Elternteilen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht als Stützen oder Ratgeber zur Verfügung stehen. Meine größte berufliche Herausforderung ist es also immer wieder, nicht reflexartig alles allein zu lösen, sondern inne zu halten und zu überlegen, mit wem zusammen ich ein Problem bewältige. Es gibt – sei es in unserer Schwesterfirma am Bodensee oder in meinem beruflichen und privaten Netzwerk – genug schlaue und tatkräftige Menschen, die mit mir zusammen anpacken. Sie darum zu bitten (oder erst auf die Idee zu kommen, sie zu bitten!) fällt mir allerdings häufig schwer.

Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders intensiv?

Durch den plötzlichen Verlust eines sehr geliebten Freundes vor einigen Tagen richten sich meine Gedanken und Aktivitäten momentan etwas neu aus: Wie zeitkritisch ist dieser oder jener Anruf? Ärgere ich mich wirklich gerade darüber, dass wir diesen Auftrag nicht bekommen haben? Oder kümmere ich mich um jene in meinem Umfeld und zeige ihnen meine Zuneigung? Winke dem Menschen, der mir die Vorfahrt nimmt, freundlich zu? Grüße den Busfahrer beim Einsteigen? Vielleicht ist das Zwangs-Optimismus, der mich meine Trauer verarbeiten lässt, aber ich beschäftige mich momentan besonders intensiv damit, Leuten zu sagen, wie gern ich sie habe, und Gelassenheit und Freude zu verbreiten.

Womit schaffen Sie in Ihrer Freizeit einen Ausgleich zu Ihrem Arbeitsalltag?

Ein guter Roman ist für mich ein absoluter Ausschalter des Alltags. Letztes Jahr habe ich als Mitglied der Jury des Mara Cassens Preis über 70 Debütromane gelesen und konnte so in eine Vielfalt an Themen abtauchen, die mit meinem Beruf absolut gar nichts zu tun haben. Leider muss ich aber genauso zugeben: Ich lese nie, nie, nie Sachbücher – welch Schande.

Ein guter Tag beginnt für mich mit …

… einer Tasse Twinings Earl Grey Tee mit Milch und dem Radio-Eins-Kommentar um kurz nach 8 Uhr. In meiner Phantasie beantworte ich diese Frage auch irgendwann mal mit „Pilates” – aber in Wirklichkeit mache ich es nur zwei Mal die Woche und überlege mir jedes Mal, mit welcher Ausrede ich vielleicht heute Morgen drum herum kommen könnte.

Wie bereiten Sie sich auf einen wichtigen Termin vor?

Meine Vorbereitung auf wichtige Termine ist eine Mischung aus FBI und Ist-doch-wurscht. Ich google mir erst die Finger wund über die Branche meiner Gegenüber, versuche ihre Lebensläufe auswendig zu lernen und gehe ihre LinkedIn-Netzwerke durch – idealerweise finde ich noch heraus, für was sie sich karitativ engagieren und habe somit ein paar Gesprächsansätze. Leider vergesse ich dann 99% ab dem Start des Termins und kann mir nicht anders helfen als einfach nur authentisch zu sein. Was als Taktik beginnt, mündet immer in entwaffnender Ehrlichkeit. Und entweder hat man dann mit dem Gegenüber eine Wellenlänge, oder es passt nicht – selbst wenn ich mal wusste, wie seine Grundschullehrerin hieß.

Wer war Ihre wichtigste Begleitung auf dem Weg in die Selbstständigkeit/zur Führungskraft?

Meine jetzigen Geschäftspartner haben mir von Anfang an das Gefühl gegeben, dass wir – trotz eines sehr unterschiedlichen Backgrounds – immer auf Augenhöhe sprechen. Ich hatte absolut keine Erfahrung als Unternehmerin, brachte aber andere Fähigkeiten und Hintergründe mit, die für sie wiederum wertvoll waren. Sie haben mich extrem darin bestärkt, diesen Schritt zu gehen und dafür bin ich ihnen jeden Tag dankbar. Mein Rat an jede:n Gründer:in ist daher: Such’ Dir jemanden, bei dem Du gnadenlos ehrlich sein kannst, ohne Dich für Schwächen zu schämen. Eine Prise „Fake it ‘till you make it” schadet bestimmt trotzdem nicht, aber ein solides Duo oder Trio an Mitgründer:innen ist die beste Basis. Zusammen ist man weniger allein!

Warum ist ein starkes Netzwerk für Unternehmerinnen/Führungskräfte besonders wichtig?

Perspektivisch möchte ich auf „speed dial” belastbare Kontakte haben, die mich in gewissen Bereichen unterstützen können – und denen ich selbstverständlich genauso zur Seite stehe. Vermutlich ist es sogar erstmal ein „Geben”, bevor es irgendwann auch mal ein „Nehmen” gibt. Sich gegenseitig zu beflügeln und Dinge zu bewältigen, ist mein Ziel. Verbündete, um gemeinsam zu meckern oder zu merken, dass andere auch Probleme haben, brauche ich nicht.

Wie stehen Sie zum Thema Gendern?

Ich bin zu 100 Prozent für die Sichtbarkeit von Frauen in Sprache und Berufsfeldern: Ärztinnen und Ärzte, Demonstrantinnen und Demonstranten – ob das dann mit Sternchen, Doppelpunkt oder sonstwas gekennzeichnet wird: Mir schnuppe. Worte haben Bedeutung und formen Gedanken. Dass man immer alles richtig machen muss und jeden, der sich dieser Idee nicht anschließt, als misogyn bezeichnet, finde ich allerdings übers Ziel hinausgeschossen. So schürt man nur Antipathie und schafft wenig Anschlussfähigkeit.

Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?

Juristin oder Künstlerin – diese Ambiguität kann ich nun gut in meinem Beruf vereinen.

Infos zur Person

Valentina v. Cramm

Infos zum Unternehmen

W3 digital brands HAM GmbH
www.w3-digitalbrands.com

  • Gründungsjahr: 2016 / 2018 / 2023
  • Branche: Werbung/Kommunikation
  • Firmensitz: Hamburg
  • Mitarbeitende: 2 – Ziel in 4 Jahren: 20

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