Homeoffice: ein zweischneidiges Schwert

Ich möchte mich sehr gerne an ein Zitat von Wilhelm von Humboldt anlehnen, welcher einst sagte: „Im Grunde sind es doch die Menschen, diedem Leben seinen Wert geben.“

Die Lehre, die wir aus diesem Zitat Humboldts ziehen können: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Daher braucht er ohne Wenn und Aber - auch im Beruf - den Austausch mit seinen Kolleginnen und Kollegen.

Doch insbesondere in den letzten zweieinhalb Jahren kam es zu erheblichen Veränderungen in unserer gewohnten Arbeitsweise, wodurch die soziale Komponente oft auf der Strecke geblieben ist. Homeoffice war in vielen Betrieben plötzlich Pflicht. Auf einmal wurden wir aus unserem gewohnten Berufsumfeld verbannt. Kein Zusammenkommen mehr mit all den liebgewonnen Kollegen, keine Diskutierecke und kein gemeinsamer Ideenpool. Man fand sich sehr schnell in einem neuen beruflichen Umfeld wieder: nämlich dem eigenen Zuhause.

Ein Zuhause als Berufsumfeld kann durch seine Freiräume zwar sehr charmant sein, es kann aber auch zu Problemen führen. Wenn man sein Büro auf einmal mit seinem Partner, der Partnerin oder womöglich mit seiner ganzen Familie teilen muss, kann es ganz schnell vorbei sein mit dem Homeoffice-Charme.

Empathieverlust

In diesem neuen Spannungsfeld kommt es schon mal schnell zu Schäden an sozialen Beziehungen oder dem Verlust von Empathie. Der wichtige Ideenpool beispielsweise kann im Grunde nur dann befüllt und genutzt werden, wenn die internen Strukturen und die Kommunikation ein wertschätzendes Miteinander zulassen und fördern. Der kreative Austausch und das Miteinander als Team im persönlichen Kontakt vor Ort sind elementar.
Ich bin absolut nicht gegen das Homeoffice - eher für eine Ausgewogenheit zwischen Homeoffice und meinem gewohnten Arbeitsplatz im Betrieb. Ich sehe die Vorteile nur in der Kombination.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor des Homeoffice besteht darin, dass die Auslastung der Infrastruktur innerhalb des Straßenverkehrs abnimmt, weil weniger Menschen morgens zur Arbeit fahren und weniger Menschen abends wieder nach Hause fahren. Gerade in der heutigen Zeit, wo wir mit Themen wie Energieeinsparung und Klimaschutz konfrontiert sind, kann man hier viel Förderliches tun.

Ich würde mir wünschen, dass in der weiteren Entwicklung der Berufswelt alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Ideen, Erfahrungen und Begabungen mit eingebunden werden. Im Grunde können wir es uns nicht erlauben, Kompetenz und Erfahrung nicht zu sehen, nicht zu hören und dementsprechend zu verlieren. Der Mensch und sein Verlust von Empathie sowie sozialen Beziehungen stehen für mich im Fokus meiner Arbeit. Denn, wie Humboldt sagte, fehlt dem Leben ohne den Menschen der Wert.

• Marcus Kieser, KIESER MBG COACHING
  (Beitrag zum Frankfurter Zukunftskongress 2022)