Esra Limbacher

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03.05.2024

„Wir müssen handeln!"

Im Interview mit dem Magazin Mittelstand. definiert Esra Limbacher, was der Mittelstand jetzt braucht.

Der saarländische SPD-Bundestagsabgeordnete Esra Limbacher setzt sich als Mittelstandsbeauftragter seiner Fraktion für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen ein. Er ist Mitglied im Politischen Beirat des BVMW und empfing die Mitglieder des Jungen Mittelstands im Januar für einen Delegationsbesuch im Bundestag.

Mittelstand.: Der Generation Z und den Millennials wird häufig vorgeworfen, zu viel Wert auf Dinge wie Work Life Balance, Homeoffice oder die 4-Tage-Woche zu legen. Wie bewerten Sie die derzeitige Debatte über Generationenunterschiede?

Esra Limbacher: Die Debatte muss geführt werden. Ich denke zwar nicht, dass die jüngeren Generationen andere Wünsche haben als ihre Vorgänger, aber der Arbeitsmarkt hat sich geändert. Durch den demografischen Wandel können Arbeitskräfte anders verhandeln als früher. Und davon profitiert eine junge, gut ausgebildete Arbeiterschaft. Umgekehrt schrumpft mit dem Weggang der Älteren das Erwerbspersonenpotenzial, während die Kosten für das Renten- und Gesundheitssystem steigen. Dazu kommen dann noch die Nachhaltigkeitsinvestitionen. Um das alles zu schaffen, brauchen wir so viele Hände wie möglich. Arbeit hat also einen enormen Wert für unsere Gesellschaft, und das muss uns allen bewusst sein.

Unternehmensgründungen werden so häufig wie nie zuvor aus Eigenmitteln finanziert. Wie können die Rahmenbedingungen für Kapitalinvestitionen Dritter in Gründungsprojekte verbessert werden?

Unternehmensgründungen sind gerade in Deutschland mit den vielen kleinen und mittleren Unternehmen Teil unserer wirtschaftlichen DNA. Leider bedeutet das nicht, dass Gründungen hier besonders einfach sind. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz haben wir die Drittmittelfinanzierung aber deutlich vereinfacht: unter anderem durch leichtere Börsengänge, weniger Auflagen und Mehrstimmrechtsaktien. Jetzt müssen wir noch mehr erreichen wie etwa noch leichtere Gründungsvoraussetzungen. Warum nicht als Ziel definieren: In Deutschland muss in Zukunft die Gründung eines Unternehmens binnen 24 Stunden möglich sein.

Welche Rolle sollte der Staat bei der Gründungsförderung spielen?

Die Aufgabe des Staates ist in erster Linie, ein gutes Umfeld für private Investitionen zu schaffen. Das heißt: ein starkes Wettbewerbsrecht und möglichst wenig Bürokratie. Den nötigen unternehmerischen Freiraum zu bieten, ist meines Erachtens die beste Gründungsförderung, die der Staat leisten kann. Hierzu gehört aber auch, dass der Staat das Gründen durch Förderprogramme und günstige Kredite über die KfW unterstützt.

Der Mittelstand sucht händeringend nach geeigneten Unternehmensnachfolgern. Wie kann die Politik helfen?

Über 500.000 mittelständische Unternehmen sind in Deutschland auf Nachfolge-Suche und drohen in den kommenden Jahren zu schließen, weil sie keine Nachfolger finden. Nur noch wenigen gelingt die Nachfolge innerhalb der eigenen Familie und planen, den Betrieb notfalls zu verkaufen oder einfach zu schließen. Was droht: der Ausverkauf des deutschen Mittelstands, des Rückgrats unserer Sozialen Marktwirtschaft. Klar ist: Wir müssen handeln! Ein Baustein
kann dabei eine neue Gesellschaftsform „mit gebundenem Vermögen“ sein, die auch als Verantwortungseigentum bekannt ist.
Die Weitergabe der Unternehmensführung kann dadurch an die fähigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen, ohne dass diese Mittel zum Kauf von Anteilen aufbringen müssen. Der Zugang zum Eigentum an der Verantwortung öffnet sich für diejenigen, die für die Entwicklung des Unternehmens am besten passen, unabhängig von familiärer Herkunft oder Kaufkraft.

Die SPD zählt zu den Verfechtern der Ausweitung der Tarifbindung in der Wirtschaft, jedoch ist der Mittelstand mehrheitlich nicht tarifgebunden. Wie können gerade Startups und junge Unternehmen unterstützt werden, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bessere Beschäftigungsanreize geben möchten?

Zunächst wäre es natürlich wünschenswert, wenn sich mehr Unternehmen und Angestellte über das Tarifrecht organisieren, da Tarifverträge effizient zu guten Arbeitsverhältnissen führen und den Unternehmen nicht nur Planungssicherheit, sondern auch ein Instrument bieten, sich von der Konkurrenz abzuheben und als attraktive Arbeitgeber zu profilieren. Mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung und der Arbeitnehmer-Sparzulage stehen aber auch den Unternehmen ohne Tarifoption attraktive Instrumente zur Verfügung.

Wie würden Sie die Leitplanken einer sozialdemokratischen Mittelstandspolitik definieren?

Für mich formuliere ich es umgekehrt: Eine gute Mittelstandspolitik ist immer auch sozialdemokratisch. Der Mittelstand ist Rückgrat unserer Wirtschaft und Garant für Wachstum, Innovation und Beschäftigung.

Worauf sich aktuell alle Mittelständlerinnen und Mittelständler verständigen können, ist, dass wir eine Bürokratiereform und schnellere Genehmigungsprozesse brauchen, um den Unternehmen wieder mehr Freiraum zu verschaffen. Außerdem braucht es für kritische Branchen mehr Unterstützung und Schutz vor ausländischer Konkurrenz, und wir müssen mehr Arbeits- und Fachkräfte für unsere Wirtschaft gewinnen.

Letzteres erreichen wir mit der Fachkräftestrategie, die bereits jetzt acht neue Gesetze und Reformen umfasst und weiter ergänzt wird. Für die beiden anderen Punkte arbeiten wir aktuell am BEG IV und
einer Reform des AWG.

Dennoch sind die Herausforderungen der kommenden Jahre immens – egal, ob beim Klimaschutz, der Digitalisierung oder der sich im Zuge der Pandemie verschärfenden Lieferkettenprobleme. Für mich steht fest: Die Transformation gelingt nicht gegen, sondern nur mit und ein Stück weit auch durch den Mittelstand. Unser Ziel ist es, dass Made in Germany auch 2050 noch für Spitzentechnologie und höchste Qualität stehen wird.

Dieses Interview führte Johannes Kreft, BVMW-Leiter Politische
Kommunikation.

Johannes Kreft

Johannes Kreft

Leiter Public Affairs

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Germany

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